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Prof. Dr. Heike Maria Korbmacher-Steiner

Schreckgespenst Ganzkörper-CMD – Mythos oder Wirklichkeit?

14:24
11.11.2023
Gibt es so etwas wie Ganzkörper-CMD? Wie plausibel sind die Theorien von Problemen im Kauorgan und absteigenden Ketten, von denen vor allem das Internet voll ist? PD Dr. Daniel Hellmann ging diesen Fragen wissenschaftlich auf den Grund. Das kurzgefasste Fazit: Es gibt keine Ganzkörper-CMD, Probleme im Kausystem führen nicht zu den oft angeführten Problemen im ganzen Körper. Selbst die häufig mit CMD und Bruxismus in Verbindung gebrachten Nackenschmerzen werden nicht von von ihr ausgelöst.

Natürlich stünden das Kauorgan und der Trigeminus physiologisch in Verbindung mit dem gesamten Körper. Der Trigeminus ist neuroanatomisch mit vielen anderen Bereichen verbunden, auch mit der Augenmuskulatur, dem Gleichgewichtsorgan, der Nackenmuskulatur und dem Rückenmark. Trotzdem gebe es keine wissenschaftlichen Nachweise für eine Verbindung des Kauorgans mit Schwindel. Klagten Patienten über Schwindel, solle man sie besser zur Abklärung an ärztliche Kollegen überweisen.

Es habe sich in aufwendigen Studien nicht nachweisen lassen, dass zum Beispiel Beißen und Knirschen zu einer erhöhten Aktivierung der Nackenmuskulatur führe. Die Aktivierung sei sogar geringer als bei normalen Kauaktivitäten.

Woher komme dann aber das Gefühl, dass Probleme im Kauorgan, Bruxismus oder CMD zu Schmerzen im Körper führen. Spannend sei hier das Thema Schmerz und Schmerzweiterleitung. Alle Menschen hätten durch Belastungen oder Fehlhaltungen etc. subakute Läsionen im Körper, die sich aber selten direkt bemerkbar machen. Gibt es nun aber eine akute Läsion, zum Beispiel Zahnschmerzen, kommt es zu einer überschreitenden zentralen Sensibilisierung, nozizeptive Effekte werden nicht mehr ausgeblendet und die subakuten Läsionen werden fühlbar und wahrnehmbar.

Der Schmerz wandere dann durch den Körper, aber es sei eben nicht eine absteigende Kette vom Kauorgan. „Das ist aktuell die in der Schmerzphysiologie am besten belegte und in der Forschung auch weiterentwickelte Theorie“, so Hellmann. Es gebe Theorien, dass es Patienten gibt, die gegenüber einer muskulo-skeletalen Problematik empfindlicher seien und schneller auf solche subakuten Läsionen reagierten.

Es gebe keine Evidenz für einen Kausalzusammenhang zwischen Malokklusion und Wirbelsäule etc. und bisher auch keinerlei Evidenz für einen vorhersagbaren oder kausalen Zusammenhang zwischen okklusalen Abweichungen von der Norm und Veränderungen beziehungsweise Abweichungen der Körperhaltung. Wer solche Messungen anbiete und daraus Behandlungen eines „falschen Bisses“ ableite, bewege sich auf unsicherem Terrain.

Dies sei aber nicht so zu verstehen, dass die Okklusion keine Rolle spiele, so Hellmann. Diese sei der zentrale Endpunkt der zahnärztlichen Behandlung, sie müsse störungsfrei sein. In diesem Feld sollte die Zahnmedizin große Sorgfalt walten lassen. Dies sei aber auch das ureigene Betätigungsfeld der Zahnmedizin.

Quintessence News/MM

Dr. Michael Frank
PD Dr. Daniel Hellmann
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