Morgens, acht Uhr, am Grenzübergang im polnischen Korczowa. Eine streng dreinblickende Grenzbeamtin kommt auf mich zu und spricht mich auf polnisch an. Ich verstehe sie zwar nicht, doch sie hat die Art Blick drauf, die einem sagt: Wir haben ein Problem. Große Hinweistafeln weisen Autos und Bussen ihre Spuren zu, doch auf Radreisende ist dieser riesige Grenzübergang offenbar nicht ausgelegt. „Stay here“, befielt mir die Frau und zeigt auf eine Ecke, „dont go away!“
Ich folge ihren Anweisungen, doch ihre nächste Aussage löst Besorgnis bei mir aus: „You cant cross the border with a bike.“ Ich bin verdutzt. Damals, 2018 auf dem Balkan, hatte ich mehrfach harte Grenzen außerhalb des Schengenraums durchradelt; damals hieß es einfach nur, an den langen Autoschlangen vorbeifahren, zu Fuß den Pass vorlegen und passieren. Doch die zwar höfliche, aber bestimmte Grenzbeamtin gibt mir zu denken. War es das jetzt? Soll meine Reise nach Kiew an einer polnischen Verwaltungsvorschrift scheitern?
Ein Sprung zurück. Drei Tage zuvor bin ich zusammen mit Wolodomyr und seiner Freundin Barbara von Krakau aus aufgebrochen. Zuerst gibt es ein herzhaftes Radfahrerfrühstück, dann begleiten mich die beiden auf den ersten 35 Kilometern. Der gebürtige Ukrainer, der seit einem Jahrzehnt in Krakau lebt und in der IT tätig ist, ist leidenschaftlicher Radreisender. Mit ihm habe ich mich ausführlich über meine Route für die nächsten Wochen unterhalten und diese angepasst. Wolodymirs nächstes Projekt: Eine Woche mit leichtem Gepäck durch die Wildnis Kirgististans mit Anstiegen auf Tour de France-Niveau. Seine kasachische Partnerin macht keine so krassen Touren, doch die beiden haben auch zusammen Spaß auf kleineren Wochenendtripps. So wie heute.