Einem für die UN erstellten Bericht zur Lage in Afghanistan zufolge sind die Taliban gezielt auf der Suche nach vermeintlichen Kollaborateuren und drohen offen mit Repressalien für deren Familienmitglieder. In dem vertraulichen vierseitigen Bericht des RHIPTO Norwegian Center for Global Analyses, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, dem größten Risiko seien Personen ausgesetzt, die wichtige Positionen im Militär, der Polizei oder anderen Ermittlungsbehörden eingenommen hatten.
Die Beteuerungen der Taliban, keine Vergeltungsaktionen vornehmen zu wollen, hält der Leiter der Denkfabrik, Christian Nellemann, nicht für glaubhaft. "Sie versuchen einfach, die Leute an Ort und Stelle zu halten, um sie festnehmen zu können", so Nellemann auf dpa-Anfrage. Dem Bericht zufolge hatten die Islamisten bereits vor der Einnahme größerer Städte in Afghanistan Listen und Karten über den Aufenthalt von Personen erstellt, die sie festnehmen wollten. Seien diese nicht auffindbar, würden Familienmitglieder stattdessen in Gewahrsam genommen oder mit Festnahme und sogar dem Tod bedroht.