Der Richter arbeitet nach und nach die Missbrauchsfälle ab. Dabei kommt er auch auf einen Mann zu sprechen, der sich gegenüber dem Angeklagten im Darknet offenbar als Kinderarzt aus Belgien ausgegeben hatte, aber in Wirklichkeit aus Spanien stammte. Er habe mitgeteilt, dass er an einer "längerfristigen Freundschaft" interessiert sei. Außerdem habe er sich als finanzstark dargestellt. Er habe im nördlichen Breisgau ein Ferienhaus gebucht. Dorthin sei man gemeinsam aufgebrochen. Der Junge habe erst aber nicht so gewollt, wie der Freier wohl wollte. "Er sah lieber fern", sagt der Angeklagte. Daraufhin habe er ihn noch einmal klar gemacht, dass es um 10000 Euro gehe. Nach dem Wochenende sei das Geld auch tatsächlich geflossen, sagt der Angeklagte.
Es war der erste fremde Mann, der sich an dem Buben vergehen durfte. "Wer war nach Ihrer Ansicht der Schlimmste?", fragt der Vorsitzende Richter. "Waren das vielleicht sogar Sie, weil er Ihnen vertraute und von Ihnen am häufigsten missbraucht wurde?" "Wenn man es so sieht, wäre ich wohl der Schlimmste für ihn gewesen. Aber das Verhältnis war zwischen uns wirklich sehr gut. Ich glaube, dass er gegen mich keinen Hass empfunden hat. Er kam oft zu mir und hat mich angesprochen: Papa dies und Papa das."
Die Mitangeklagte sei oft überfordert mit dem Kind gewesen und habe sich nicht genug um ihn gekümmert. Sie gehe schnell in die Luft und habe ihn in sein Zimmer geschickt, wenn ihr etwas nicht gepasst habe.
Dann spricht der Angeklagte über die Motivation seiner Aussage: "Letztendlich bin ich der Haupttäter. Den Schuh ziehe ich mir an. Ich habe nie ein Entgegenkommen gefordert. Letztendlich ist mir egal, was über mich geurteilt wird. Es geht mir nur darum, dass dem Buben Gerechtigkeit geschieht und er das aufarbeiten kann. Ich möchte klar stellen, dass ich die springende Kraft bin."
"Woher kommt dieser Sinneswandel? Ohne Verhaftung wäre es doch weiter gegangen?", entgegnet der Richter. Er habe in der U-Haft viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was er verkehrt gemacht habe. "Ich habe auch gelesen, wie der Junge sich geäußert hat. Das geht mir nah", sagt der Angeklagte.
Doch der Richter stutzt: "Sie waren mehr als vier Jahren in Strafhaft. Warum hat das kein Umdenken gebracht?" Da habe er auch keine Antwort.
Eberhard Wein