Da liegt er nun vor mir, der Altvater-Gebirgszug im nordöstlichen Tschechien. Majestätisch und einschüchternd. Nicht, dass ich nicht genug Erfahrung mit Bergen hätte; letztes Jahr bin ich mit meinem Reiserad bei vollem Gepäck hoch auf den Mont Ventoux gefahren. Doch jetzt ist es zwölf Uhr mittags und Mitte Juli, weshalb die Hitze mir Sorgen bereitet. Ein Aufstieg am frühen Morgen wäre besser gewesen, doch ich habe erst mal hier hin kommen müssen, 45 Kilometer liegen schon hinter mir, als ich bei der Talstation eines Skilifts ankomme. Es ist ein beliebtes Wintersportgebiet, doch auch jetzt ist hier viel los, vor allem Wanderer und Mountainbiker sind unterwegs. Ich entscheide mich dazu, hier eine längere Mittagspause zu machen.

Eine Gruppe polnischer Radfahrer aus Katowice gesellt sich zu mir, wir kommen ins Gespräch. Es sind zwei jüngere Männer, eine jüngere Frau und ein schon sichtlich älterer, aber extrem drahtiger Mann. Alle arbeiten sie bei der Sportakademie von Katowice - auch der Senior mit seinen 74 Jahren gibt noch Kurse. Er heißt Romuald Szopa und ist eine Sportlegende, obwohl er sich nicht so wichtig nimmt, doch seine Kollegen erzählen mir, wen ich vor mir habe. 1978 hat Romuald den Ärmelkanal durchschwommen, von Dover rüber nach Cap Gris Nez. Das sind 33 Kilometer, doch wegen der Strömung musste er 42 Kilometer schwimmen. 

Ich frage, ob er von einem Boot begleitet wurde. Ja, aber: "Die Regeln waren sehr streng, zu keiner Zeit durfte mich jemand berühren" erzählt Romuald. Die für mich unglaubliche Entfernung war für ihn nicht das Problem: "Die Kälte hat mir sehr zugesetzt", erinnert er sich. Doch er schaffte die Schwimmergroßtat in 12:49 Stunden. Was für eine Leistung! Das Geheimnis, um im Alter gesund zu sein? Viel aktiv sein, rät Romuald. Und: "Gute Freunde sind sehr wichtig!"

Michael Merten