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«Zur Untätigkeit verdammt»: Ärger um Corona-Lockerung reißt nicht ab

04:30
26.03.2022
Die Hotspot-Regel für schärfere Corona-Maßnahmen sorgt weiter für Diskussionen in den Bundesländern. In den Landesregierungen herrscht große Uneinigkeit in der Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen zur Feststellung von Hotspots derzeit erfüllt sind oder nicht. So hat Mecklenburg-Vorpommern bereits das ganze Land bis Ende April zum Hotspot erklärt. Hamburg hat dasselbe vor, obwohl der Stadtstaat die bundesweit niedrigste Inzidenz hat.

Andere Länder wie Baden-Württemberg und Niedersachsen hingegen sehen im Moment trotz Rekorden bei den Corona-Neuinfektionen keine rechtliche Handhabe für eine Hotspot-Regelung, obwohl sie eine Beibehaltung der Maßnahmen begrüßen würden. Wieder andere sind gegen eine Verlängerung der Schutzmaßnahmen. Das hat eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den 16 Bundesländern ergeben.

«Die Länder sind im Wesentlichen zur Untätigkeit verdammt», sagte die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) der dpa in Hannover. «Vorsorge ist nicht mehr möglich. Ich halte das für falsch.» Fünf weitere Länder - Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland - forderten den Bund am Freitag auf, offene Fragen zur Umsetzung der Hotspot-Regelung schnell zu klären. Dazu wurde eine Sondersitzung der Gesundheitsministerkonferenz beantragt, die am Montag stattfinden soll. Die bisherigen Kriterien für die Ausweisung eines Corona-Hotspots seien nicht rechtssicher und unklar.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die Länder aufgerufen, die verbliebenen Möglichkeiten zur Corona-Eindämmung zu nutzen, auch die Hotspot-Regelung. Eine dafür festzustellende Überlastung des Gesundheitswesens könne an konkreten Kriterien bemessen werden - etwa wenn planbare Operationen verschoben oder Patienten verlegt werden müssten, sagte der SPD-Politiker am Freitag. Bundesweite Regeln seien nicht mehr möglich, da nicht in ganz Deutschland eine Überlastung des Gesundheitssystems bestehe.

Schon der Beschluss der Bundesregierung, die meisten Corona-Regeln aufzuheben, war in den Ländern auf breiten Protest gestoßen. Nach einer Übergangsfrist bis zum 2. April können sie weitergehende Beschränkungen mit mehr Maskenpflichten und Zugangsregeln nur noch verhängen, wenn das Landesparlament für Hotspots eine kritische Lage feststellt. Schwellenwerte, wann dies greifen soll, gibt es nicht. Lauterbach kündigte an, bei der Gesundheitsministerkonferenz am Montag solle mit den Ländern darüber gesprochen werden, die Hotspot-Regelung gangbar zu machen.

Die stellvertretende Vorsitzendes des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Elke Bruns-Philipps, warnte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Die Pandemiebekämpfung darf nach dem 2. April nicht zu einem unüberschaubaren Flickenteppich führen.» Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, sagte dem Portal «t-online», leider sei der Instrumentenkasten im Infektionsschutzgesetz beschnitten worden. «In Anbetracht der nach wie vor ansteigenden Infektionszahlen ist die Regelung zu den Hotspots zu umständlich.» Er fordert mehr Entscheidungsfreiheit für die Landkreise.

Die Situation in den Ländern im Überblick:

HOTSPOTS GEPLANT (2)

Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern

In MECKLENBURG-VORPOMMERN gilt das gesamte Bundesland bis zum 27. April als Hotspot. Das hat der Landtag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD und Linke sowie der Grünen beschlossen. Konkret bleiben das Abstandsgebot, die Maskenpflicht in Innenbereichen und die Testpflicht für Ungeimpfte in Hotels und Restaurants bestehen. In HAMBURG plant die rot-grüne Koalition ebenfalls, die ganze Stadt zu einem Hotspot zu erklären und so eine allgemeine Maskenpflicht in Innenräumen, auch im Einzelhandel, für zunächst vier Wochen zu ermöglichen. Einen entsprechenden Antrag von SPD und Grünen soll die Bürgerschaft kommende Woche beschließen. Auch CDU und Linke sind für eine Beibehaltung der Maskenpflicht.

ENTSCHEIDUNG OFFEN (6)

Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen

In BAYERN und BRANDENBURG wollen die Regierungen am Dienstag darüber beraten, wie es über den 2. April hinaus mit den Corona-Regeln weitergeht. Die bayerische Staatsregierung forderte bereits eine Klarstellung vom Bund, um die Hotspot-Regelung gegebenenfalls rechtssicher anwenden zu können. Aus HESSEN heißt es, die Vorgaben für die Feststellung von Hotspots seien so hoch, dass sie nach Einschätzung der Landesregierung faktisch ins Leere laufen. Die derzeitige Lage lasse eine rechtssichere Regelung nicht erkennen. Auch in RHEINLAND-PFALZ und SCHLESWIG-HOLSTEIN stehen Beratungen dazu noch aus. Die Kieler Regierung will dabei auch eine erneute Anhörung des eigenen Expertenrats berücksichtigen. In THÜRINGEN würde die rot-rot-grüne Minderheitsregierung die Maßnahmen gerne verlängern. Die CDU machte aber zuletzt klar, dass sie Hotspot-Regeln weder für das Bundesland noch für einzelne Landkreise mittragen wolle. Eine Mehrheit im Landtag für die Verlängerung ist daher unwahrscheinlich.

HOTSPOTS DERZEIT NICHT GEPLANT (8)

Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt

In BADEN-WÜRTTEMBERG und NORDRHEIN-WESTFALEN haben die Landtage Anträge, das ganze Land zum Hotspot zu erklären, bereits abgelehnt. Die grün-schwarze Koalition in Stuttgart hält das Ende der Maßnahmen zwar für einen Fehler. Jedoch sehen Grüne und CDU keine rechtliche Grundlage mehr für eine landesweite Verlängerung von Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen. Ähnlich argumentiert die Regierung in NIEDERSACHSEN. «Sowie wir eine Chance sehen, eine rechtssichere Hotspot-Regelung in Niedersachsen zu schaffen, werden wir sie dem Landtag vorlegen», sagte Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). Derzeit sehe man diese Chance jedoch nicht. Im schwarz-rot-gelb regierten SACHSEN-ANHALT lehnen CDU und FDP eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen ab. In SACHSEN hat sich die Regierung darauf verständigt, dass es von Anfang April an bei Basisschutzmaßnahmen bleiben soll. Auch in BERLIN, BREMEN und im SAARLAND stellt man sich auf ein Ende der meisten Schutzmaßnahmen ein - auch weil es derzeit kaum Möglichkeiten für eine Hotspot-Regelung gebe, wie ein Sprecher der Regierung in Saarbrücken sagte.

(dpa)

Heimstiftung stärkt Lucha Rücken und fordert Schritte zur Endemie

04:15
26.03.2022
Die Evangelische Heimstiftung hat im Streit um ein Ende der pandemischen Lage Partei für den baden-württembergischen Sozialminister Manne Lucha (Grüne) ergriffen. Mit seinem Vorstoß beweise der Landesminister Weitsicht, die dem «orientierungslosen» Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) offensichtlich fehle, erklärte Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Stiftung, die einer der größten Pflegeheimbetreiber im Südwesten ist.

Lucha habe den Übergang von der Pandemie in die Endemie beschrieben und ihn ausführlich mit Daten aus den Gesundheitsämtern begründet. Die Ämter vergeudeten die «wertvolle Zeit mit sinnlosen Eingaben von überflüssigen Tests». Schneider kritisierte auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der Lucha zurückgepfiffen hatte. «Da fällt einem nur noch ein, dass es Winfried Kretschmann ist, der zurückgepfiffen werden müsste.»

Lucha hatte Lauterbach in einem Brief aufgefordert, Ende April den Wechsel von der pandemischen in die endemische Phase einzuläuten. Das hätte weitreichende Folgen gehabt. Das Coronavirus würde dann wie das Grippevirus eingestuft, es gäbe praktisch keine Tests und keine vorgeschriebene Quarantäne mehr. Nachdem Kretschmann sich von ihm distanziert hatte, ruderte Lucha zurück. «Wir erklären die Pandemie explizit nicht für beendet», sagte sein Sprecher. Es sei dem Minister vor allem darum gegangen, die Gesundheitsämter von unnötigen Aufgaben zu entlasten und einen Wechsel beim Corona-Management anzuregen.

Aus Schneiders Sicht sollte sich der Bundesgesundheitsminister ein Beispiel an Lucha nehmen. «Lauterbach irrlichtert zwischen der Aufhebung des Infektionsschutzgesetzes und emotionalen Appellen an die Impfpflicht, ohne jedoch eine Regierungsmehrheit dafür zu organisieren.» Als Heimbetreiber könne er den Kurs Lauterbachs nicht nachvollziehen. «Wer traut einer Bundesregierung, die im Dezember eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschließt und die für März versprochene allgemeine Impfpflicht nicht auf die Reihe bekommt?», fragte Schneider. «Wie soll man den erzwungenen Exodus tausender nicht geimpfter Pflegekräfte verstehen, wenn gleichzeitig Bewohner, Patienten und Besucher ungeimpft und ungetestet in die Einrichtungen kommen dürfen?»

Mit Blick auf Luchas Vorschlag sagte Schneider, es müsse über einen Strategiewechsel mit Schritten in Richtung Endemie diskutiert werden. «Diesen Anstoß gibt Minister Lucha und macht konkrete Vorschläge, indem anlasslose Tests und auch die Absonderungspflichten für positiv Getestete und deren Kontaktpersonen wegfallen sollen.» Schneider forderte zudem: «Gleichzeitig müssen Schutzkonzepte und Hygienekonzepte greifen, die es auch positiv getesteten Beschäftigten erlauben zu arbeiten, wenn sie sich nicht krank fühlen.» Es sei Zeit für mehr Eigenverantwortung.

Die Heimstiftung betreut rund 13 000 Menschen in landesweit 165 Einrichtungen.

(dpa/lsw)

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