Die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen rückt näher. Noch gibt es vor ihrem Inkrafttreten am 16. März etliche offene Fragen in einer Branche, die laut Statistischem Landesamt etwa 763 000 Menschen im Südwesten beschäftigt (Stand Ende 2017). Der Amtsleiter im Gesundheitsministerium, Uwe Lahl, appelliert an die Mitarbeiter, Herz zu zeigen und durch ihre Impfung andere vor Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen.
Warum betrifft die Pflicht nur das Gesundheitswesen?
In den Einrichtungen des Gesundheitswesens gibt es besonders viele Menschen, die vulnerablen Gruppen angehören. Das sind kranke und/oder ältere Menschen, die bei einer Infektion mit dem Virus schwere Verläufe befürchten müssen. «Es gibt nach wie vor starke Krankheitsverläufe und Todesfälle», sagte Lahl. Es müsse verhindert werden, dass es weiter zu Ausbrüchen in Heimen komme, die von ungeimpften Mitarbeitern verursacht würden.
Welche Einrichtungen fallen unter das neue Gesetz?
Das Spektrum reicht von Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungsdiensten, Reha-Einrichtungen, Behindertenwerkstätten, Wohngruppen für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche bis zu ambulanten Pflegediensten. Auch Heilberufe wie Diätassistenten, Physiotherapeuten und Hebammen sowie Psychotherapeuten fallen unter die Nachweispflicht. Selbstständige müssen ihr Impfdokument für behördliche Kontrollen zur Hand haben.
Wer muss sich nicht impfen lassen?
Der Postbote, der nur kurz die Briefe an der Tür eines Pflegeheims abgibt, ist nicht von der Regelung erfasst. Anders sieht es bei einem Handwerker aus, der immer wieder zu Reparaturen ins Haus bestellt wird. Auch für Musiker und Künstler, die zu Aufführungen in Heime kommen, ist der Piks obligatorisch. Angestellte im Home Office oder in einem separaten Verwaltungsgebäude fallen nicht unter das Gesetz.
Was passiert, wenn Beschäftigte die Impfung ablehnen?
Die Einrichtungsleitungen melden vom 15. März an einem digitalen Portal jene Beschäftigte, die weder einen Impf- oder Genesenen-Nachweis noch ein befreiendes Arztattest vorgelegt haben. Dabei zählt bereits die erste Impfung. «Wer sich am 14. März erstmals impft, muss nicht mit einem Betretungsverbot rechnen», erläutert Lahl. Aber er müsse die gebotenen weiteren Impfungen nachholen. Wer am 16. März eine Arbeit im Gesundheitswesen aufnehmen will, kann das nicht ohne den verlangten Nachweis. Das ungeimpfte bisherige Personal kann weiter arbeiten, bis das Gesundheitsamt eingreift.
Welche Kritik gibt es an dem Verfahren?
Die Evangelische Heimstiftung ist verärgert, dass sie laut Gesetz nicht wie geplant alle ungeimpften Mitarbeiter bereits am 16. März nach Hause schicken kann. Der größte Pflegeheimträger im Land befürchtet, dass er damit mindestens drei Monate warten muss, bis ein rechtskräftiger Bescheid der Behörde vorliegt. «Wir haben als Heimbetreiber zwar die Verantwortung für die Sicherheit der Bewohner, die Entscheidung, ob jemand ungeimpft das Haus betritt, haben wir aber nicht», moniert Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider.
Was machen die Gesundheitsämter mit den Meldelisten?
Sie schreiben jeden einzelnen Ungeimpften an, um ihn zur Impfung zu bewegen. Gesundheitlich begründete Ausnahmen gibt es etwa für frisch Transplantierte. Religiöse oder weltanschauliche Gründe werden aber nicht akzeptiert. Auch bei in Deutschland nicht zugelassenen Vakzinen, etwa aus China, gibt es kein Pardon. Bei weiterer Weigerung entscheiden die Experten nach Ermessen, ob der Mitarbeiter seine Tätigkeit beenden muss oder in bestimmten Fällen getestet weiterarbeiten kann.
Das letztere wäre der Fall, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Der Arbeitgeber ist dann aber verpflichtet, - auf einem leer gefegten Fachkräfte-Markt - Ersatz zu suchen. Lahl: «Wir müssen ausschließen, dass nicht gepflegt wird.» Wer sich weiter verweigert, dem droht ein Betretungs- oder Betätigungsverbot. Das heißt für die Betroffenen, dass zwar ihr Arbeitsverhältnis bestehen bleibt, sie aber keine Bezüge mehr erhalten. Am Ende kann eine Abmahnung und Kündigung stehen.
(dpa)