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Bayern braucht einen neuen politischen Stil

14:46
12.07.2018
Mein Meinungsbeitrag für die Bayerische Staatszeitung

Streit gehört zur Politik. Ohne die ehrliche Auseinandersetzung über den richtigen Weg ist Demokratie tot. Und der politische Streit gehört nicht in Hinterzimmer, sondern auf die offene Bühne, ins Parlament und in die Medien. Nur wenn die unterschiedlichen Positionen in der politischen Auseinandersetzung deutlich werden, können sich Bürgerinnen und Bürger ein Bild machen: Wer steht wofür und wer steht mir am nächsten?

Aber es gibt Grenzen für diesen Streit. Zunächst einmal sollte ein zivilisierter Umgang untereinander selbstverständlich sein, egal wie unterschiedlich die Auffassungen sind. Im Streit von Söder und Seehofer mit der Kanzlerin sind die Umgangsformen leider oft auf der Strecke geblieben.

Zweitens muss die politische Auseinandersetzung auf Fakten basieren. In den USA passiert gerade das Gegenteil. Wenn der amerikanische Präsident tagtäglich offensichtliche Lügen und Falschinformationen verbreitet, hat das Auswirkungen auf die demokratische Kultur lange über seine Amtszeit hinaus. Aber die Gefahr besteht auch in Deutschland: Die Debatte um Flucht und Migration hat sich längst von den Fakten entkoppelt.

Drittens muss der Meinungsstreit in einer angemessenen Sprache geführt werden. Und das heißt zuallererst: In einer menschlichen Sprache. In der bayerischen Politik entgleist die Sprache viel zu oft: Seehofer sprach schon 2011 davon, sich gegen Zuwanderung „bis zur letzten Patrone zu wehren“. Söder spricht von „Asyltourismus“ während Menschen im Mittelmeer ertrinken. Wenn die Sprache verroht, verroht auch die Politik.

Und schließlich geht es um Ehrlichkeit. Politisch Verantwortliche müssen die Menschen ernst nehmen. Erklären, was machbar ist und was nicht. Das heißt: Keine unhaltbaren Versprechungen, keine Scheinlösungen und keine Symbolpolitik – wie PKW-Maut, Obergrenze oder bayerische Grenzpolizei.

Demokratie ist nicht selbstverständlich. In einigen Ländern der westlichen Welt sind Rechtspopulisten dabei, die demokratische Ordnung zu zerstören. Das darf bei uns nicht passieren: Ein neuer politischer Stil ist eine Überlebensfrage für die Demokratie.

Natascha Kohnen