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Foto: dpa Zerquetschte Autos, die von den Fluten mitgerissen wurden, liegen aufgestapelt am Straßenrand in Dernau. Auch die Winzer des Gebiets hat das Hochwasser schwer getroffen.

Winzer an der Ahr in Existenznot

06:38
22.07.2021
Im Weinbaugebiet Ahr (Rheinland-Pfalz) ist nichts mehr, wie es mal war. Die Flut vom 14. Juli hat die meisten der 65 Haupterwerbswinzer in Existenznot gebracht. Manche mussten in der Katastrophennacht um ihr Leben kämpfen. Weil auch Pressen und andere Geräte zerstört wurden, ist das für seine Rotweine bekannte Anbaugebiet auf Hilfe aus anderen Regionen angewiesen, um die in acht Wochen beginnende Ernte zu sichern. Den Schaden allein an gelagertem Wein schätzt der Geschäftsführer des Weinbauverbands Ahr, Knut Schubert, auf 48 bis 50 Millionen Euro.

„Wir gehen davon aus, dass kein einziges Fass, kein Tank und nahezu kein Flaschenwein mehr da ist“, sagt Winzerin Julia Baltes in Dernau. Der angemietete Keller im Nachbardorf Rech sei den Fluten zum Opfer gefallen. „Im Stammlager Dernau haben wir ein paar Flaschen retten können, die jetzt etwas Patina haben.“

Das ganze Ausmaß der Schäden lasse sich nicht überblicken, weil einige Flächen des Weinguts noch nicht zugänglich seien, sagt die Winzerin, die 2012/13 deutsche Weinkönigin war. Einige tiefer gelegene Rebanlagen seien zerstört, aber für den 2021er Jahrgang gebe es die Hoffnung, dank der angebotenen Hilfe von Betrieben an der Mosel Wein produzieren zu können.

Zwei Winzerinnen wurden in der Katastrophennacht von den Fluten der Ahr mitgerissen, wie das Deutsche Weininstitut (DWI) erfuhr. Sie harrten demnach sieben Stunden in einem Baum aus, ehe sie von der Feuerwehr mit einem Boot gerettet werden konnten. Sehr viele Winzer hätten im Freundes- und Bekanntenkreis menschliche Verluste erlitten, sagt eine Sprecherin des Weinbauministeriums. Zudem herrsche weiter Unklarheit über viele Vermisste.

Die Ahr gehört mit 563 Hektar zu den kleinsten der 13 Weinanbaugebiete in Deutschland. „Mehr als ein ganzer Jahrgang ist verloren“, befürchtet der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), dem an der Ahr sieben Betriebe angehören. Wie das Weininstitut ruft auch der VDP zu Spenden für den Weinbau an der Ahr auf. Die Hilfsbereitschaft unter den Winzern sei riesig, sagt der Präsident des Deutschen Weinbauverbands, Klaus Schneider. Nicht nur bei Aufräumarbeiten, sondern auch bei jetzt notwendigen, nicht aufschiebbaren Arbeiten im Weinberg seien Helfer aus anderen Gebieten an die Ahr geeilt.

Jörg Tschürtz