Jens Spahn steht in der Pandemie im Fokus wie kein deutscher Politiker außer der Bundeskanzlerin - jetzt ist der Bundesgesundheitsminister unter Druck geraten. Heftige Kritik aus den Reihen der SPD und von der FDP zielte am Wochenende auf Spahns Corona-Krisenmanagement. Der CDU-Politiker verteidigte seine Teilnahme an einem Abendessen im vergangenen Oktober, in einer Zeit, in der die Infektionszahlen wieder stark anstiegen. Außerdem gibt es Kritik an Spahn im Zusammenhang mit einem Wohnungskauf.
ABENDESSEN IN LEIPZIG:
Angesichts damals steigender Infektionszahlen in Deutschland warnte Spahn am Morgen des 20. Oktober in einem Interview vor Infektionsrisiken durch Feiern und Geselligkeit. Das Robert Koch-Institut appellierte an die Bevölkerung, Abstandsregeln auch im Freien, Lüften und Mund-Nasen-Bedeckungen zu beherzigen. Spahn nahm an diesem Tag laut «Spiegel» an einem Abendessen mit etwa einem Dutzend Unternehmern in Leipzig teil - rund eineinhalb Stunden, wie sein Bundestagsbüro der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Am Tag darauf kamen bei Spahn nach einer Kabinettssitzung nach damaligen Angaben eines Sprechers Erkältungssymptome auf. Spahn ließ sich testen und erhielt am selben Tag ein positives Ergebnis.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing warf Spahn in der «Bild am Sonntag» nun vor, für sich «Sonderrechte» definiert zu haben. Nach Angaben von Spahns Büro hingegen wurden bei dem Abendessen die Regeln der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung auch laut dem Gastgeber eingehalten. Nach Spahns Positivtest seien ferner das Gesundheitsamt und die anderen Teilnehmer des Abends informiert worden. Diese seien laut Gastgeber negativ getestet worden. Spahn sagte der «Bild am Sonntag»: «Jemanden unwissentlich anzustecken, hätte ich zutiefst bedauert. Das ist, wohl auch aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen, nicht passiert.» Unklar ist laut Spahn, wo er seine Infektion her hatte.
Nach der Veranstaltung in Leipzig gingen laut Spahns Büro Spenden von Teilnehmern ein - zur Unterstützung der Arbeit von Spahns CDU-Kreisverband Borken im Münsterland. Die «Bild»-Zeitung (Samstag) berichtete, die Teilnehmer seien im Vorfeld des Abends vom Gastgeber aufgefordert worden, für Spahns Bundestagswahlkampf Spenden zu entrichten - und zwar knapp unterhalb der Grenze von 10 000 Euro zur Veröffentlichungspflicht von Spendernamen. Spahns Büro verweist bei konkreten Fragen zu den Spenden auf den CDU-Verband Borken. Der äußerte sich auf Anfrage am Wochenende zunächst nicht.
STREIT MIT BERLINER GRUNDBUCHAMT:
Bei dieser Sache geht es um eine Eigentumswohnung, die sich der Politiker nach Angaben seines Sprechers vom Mittwoch am 21. August 2017 gekauft hatte. Nach einem Bericht des «Tagesspiegel» richteten Spahns Anwälte hierzu im vergangenen Jahr eine Aufforderung an das Amtsgericht Berlin-Schöneberg. Die Juristen drangen demnach auf die Korrespondenz zwischen dem zu dem Gericht gehörenden, für die Immobilie zuständigen Grundbuchamt und diversen Medien. Spahns Anwälte hätten die Namen von Pressevertretern wissen wollen, die nach seinen Wohnungen sowie einer erworbenen Villa gefragt hätten.
Der Deutsche Journalisten-Verband warf Spahn vor, private Immobiliengeschäfte «unter der Decke» halten zu wollen. Spahns Sprecher betonte, Spahn habe als Privatperson lediglich sein Recht gegenüber dem Grundbuchamt geltend gemacht. «In welcher Wohnung er wohnt und zu welchem Preis er sie gekauft hat, ist seine Privatangelegenheit.»
SPAHNS CORONA-TEST-VERSPRECHEN:
«Ab 1. März sollen alle Bürger kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests getestet werden können.» Das kündigte Spahn am 16. Februar an. Doch nun wird in Regierungskreisen erwartet, dass die Möglichkeit zur Schnelltestung für alle wohl rund eine Woche später kommt. Warum?
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich «irritiert» gezeigt, dass «der Ankündigungsminister Spahn» zurückrudern gemusst habe. Tatsächlich waren Bedenken aus den Bundesländern an der raschen Umsetzbarkeit der Testverordnung gekommen, und im Corona-Kabinett am 22. Februar stellte die Kanzlerin folglich gravierende Fragen zu den Tests. Es ging auch darum, die Tests konkret mit einer Öffnungsstrategie zu verbinden. Das soll nun erst am Mittwoch, 3. März, bei der nächsten Bund-Länder-Corona-Runde geschehen.
Auch Laien-Selbsttests sollten laut Spahn nach der Zulassung für alle zugänglich werden. Wie erwartet sind die ersten zugelassen.