Der «Expertenrat Corona» in NRW hat sich auf die Fahne geschrieben, nicht nur virologische Aspekte abzuwägen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Folgeschäden der Pandemie in den Blick zu nehmen. Auch die Kanzlerin schaltet sich in die Beratungen ein.
Wenige Tage vor den nächsten Bund-Länder-Gesprächen zur Corona-Krise hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Bundesvorsitzender Armin Laschet einen gemeinschaftlichen Kurs angemahnt. «Wir sollten uns alle bemühen, dass wir das, was wir beschließen, auch gemeinschaftlich umsetzen», sagte Laschet am Freitag in Düsseldorf vor der Online-Sitzung des NRW-Expertenrats Corona. Natürlich gebe es auch länderspezifische Abweichungen - etwa bei den Schulsystemen. «Aber alle sollten alles tun, damit wir zu ähnlichen Verabredungen und Umsetzungen kommen.»
An den Beratungen des Expertengremiums nahm nach Angaben eines Regierungssprechers in Düsseldorf auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teil. Unabhängige, auch kritische Stellungnahmen des Expertenrats zur Pandemiebekämpfung seien für politische Entscheidungen wichtig, sagte Laschet nach Angaben der Staatskanzlei NRW. «Sie sind die Grundlage für das Abwägen jeder Entscheidung.»
Die Gespräche dienen unter anderem der Vorbereitung auf den am 3. März geplanten Austausch der Ministerpräsidenten mit Merkel, bei der über das weitere Vorgehen in dem seit Monaten anhaltenden Lockdown entschieden werden soll. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich laut Laschet sich im Grundsatz bewährt, «weil sie dem föderalen Staat entspricht und man auch unterschiedliche Erfahrungen miteinbeziehen kann.» Indiskretionen aus dem prinzipiell vertraulichen Kreis nach außen erschwerten allerdings die Gespräche, die eigentlich den Vorteil bieten sollten, Argumente auszutauschen, «ohne dass sie parteipolitisch missbraucht werden».
«Es gilt weiter das Gebot, vorsichtig zu sein», sagte Laschet laut Staatskanzlei weiter. «Öffnungen sind nur da möglich, wenn wir dadurch schwere Schäden auffangen können.» Zugleich müsse man auch Debatten darüber führen, wie Perspektiven für Wirtschaft, Kultur, für das Geschäftsleben, für Selbstständige eröffnet werden könnten.
Zu der von Laschet Anfang April 2020 einberufenen Expertengruppe gehören unter anderem der Bonner Virologe Hendrik Streeck, der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio und der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther. Bei den Beratungen sollen transparente Kriterien und Strategien für die Rückkehr ins soziale und öffentliche Leben entwickelt werden.
Der Rat habe immer das Ziel gehabt, neben den virologischen Zahlen auch die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Schäden der Pandemie mit in den Blick zu nehmen, erklärte Laschet. Das Abwägen sei gerade in einer Pandemie ein Wert an sich.
Merkel hatte am Vorabend nach einem EU-Sondergipfel zur Pandemie Hoffnungen auf sehr schnelle und umfassende Lockerungen der strengen Kontaktbeschränkungen mit der Einführung der Selbsttests gedämpft. Es müsse zunächst gründlich geprüft werden, «ob wir uns durch ein vermehrtes Testen auch mit diesen Selbsttests einen Puffer erarbeiten können, so dass wir in der Inzidenz etwas höher gehen können als 35». Man könne trotz der Selbsttests weder auf Inzidenzen generell verzichten noch sofort öffnen. Es könne «nicht so sein, dass wir erst die Öffnung definieren und anschließend mal gucken, ob das Testen uns hilft», sagte Merkel.