In der Debatte um eine Homeoffice-Pflicht für Bürojobs im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind sich die grün-schwarzen Koalitionspartner uneins. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wirbt seit Tagen für mehr Homeoffice, weil damit auch weniger Menschen in Bussen und Bahnen unterwegs wären. Auch bei den Corona-Gesprächen von Bund und Ländern am Dienstag will er sich dafür einsetzen, dass mehr Arbeitnehmer ins Homeoffice wechseln. Appelle reichten nicht mehr. Nach Einschätzung von Regierungssprecher Rudi Hoogvliet ist denkbar, dass Arbeitgeber begründen müssten, warum sie bestimmte Arbeitnehmer nicht ins Homeoffice schicken können.
Dagegen hält Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) eine Homeoffice-Pflicht für Unternehmen für falsch. «Ich kann nur davor warnen, die ohnehin schon von der Krise massiv gebeutelten Unternehmen jetzt noch mit zusätzlichen Dokumentations- oder Begründungspflichten zu belasten», sagte sie vor der Bund-Länder-Runde. «Die Unternehmen können jetzt alles brauchen, aber auf keinen Fall mehr Bürokratie.»
Sie habe große Zweifel, dass eine Homeoffice-Pflicht notwendig sei, um das Infektionsgeschehen dauerhaft in den Griff zu bekommen. Für viele Beschäftigte sei eine solche Pflicht auch mit erheblichen Belastungen verbunden. Sowohl bei Arbeitgeber- als auch bei Arbeitnehmervertretern im Südwesten waren die Planspiele auch schon auf Ablehnung gestoßen.
Auch Hoffmeister-Krauts Parteifreund und Justizminister Guido Wolf hat Zweifel: «Eine strikte Homeoffice-Pflicht wäre ein tiefer Eingriff in die Rechte sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer», sagte er der dpa. Es müsse sehr genau darauf geachtet werden, dass die Grenzen dessen, was in den Betrieben möglich sei, nicht überschritten würden. «Aus meiner Sicht gilt: Mehr Homeoffice gerne, aber nur, wo dies nach Einschätzung der Betriebe auch möglich ist, und ohne dass sie mit Bürokratie überfordert werden», sagte Wolf.
Beim Homeoffice versucht die Landesregierung unterdessen mit gutem Beispiel voranzugehen. Im Finanzministerium sind nach einem Bericht des «Badischen Tagblatts» (Dienstag) 98 Prozent der Mitarbeiter so ausgestattet, dass sie zu Hause arbeiten können - Pförtner oder Fahrer ausgenommen. Das Umweltministerium sei bis auf einen Notdienst faktisch zu. Im Sozialministerium sei der überwiegende Teil der Mitarbeiter im Homeoffice, und dessen Akzeptanz sei in den vergangenen Monaten «kontinuierlich gestiegen», zitierte die Zeitung einen Sprecher.
Im Wissenschaftsministerium arbeite sogar die Hausspitze daheim am Computer. Im Agrarministerium werben die Abteilungsleiter den Angaben nach permanent für den Dienst zu Hause. Die Teilnahme sei «sehr rege», sagte eine Sprecherin. Und im Innenministerium arbeitet «ein Großteil der etwa 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derzeit aus dem Homeoffice», wie ein Sprecher sagte. Etwa jeder Zehnte arbeite zwingend im Dienstgebäude. «Für den Bereich des Innenministeriums haben wir unsere Hausaufgaben gemacht», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) der dpa.
Bei einer Umfrage in der Landeshauptstadt, an der sich laut Zeitung knapp 5700 Mitarbeiter beteiligten, nannten 77 Prozent als größten Nachteil des Homeoffice das Fehlen persönlicher Kontakte. Die Zahl der sogenannten Tele-Arbeitsplätze sei binnen weniger Monate von 250 auf 4200 gestiegen, berichtete das «Badische Tagblatt» in Baden-Baden.