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20200615194156
Kapitel

MÄRZ

Letzter Quarantänetag

22:00
30.03.2020
Dienstag, 31. März. Letzter Quarantänetag meiner Frau!!! Linsen von der Alb gekocht, stundenlang. (Die nächste Quarantäne kann kommen.) (Werner Bolzhauser, Esslingen)

Johannes M. Fischer

Atemnot

22:00
30.03.2020
Dienstag, 31. März. Heute geht mir etwas die Luft aus, nein, keine Atemnot, glücklicherweise, sondern gefühlsmäßig.
Immer nur zu Hause, außer ein bisschen draußen herumspazieren. Mir fehlt doch etwas: das bunte Treiben der Stadt, mal zu einem Termin, zum Bummeln oder ins Café fahren, Menschen auf der Straße. Heute wird mir gerade alles etwas öde, trotz aller Beschäftigung und Ablenkung. Muss mich sehr zusammenreißen, den Sport weiterzumachen, Cybersport, nicht gerade das, was mir auf Dauer wirklich Spaß macht.
Gestern hat meine Freundin einen Mundschutz abgeholt, den ich noch übrig hatte. Ich habe ihn vor die Tür gelegt, sie dafür eine Flasche Wein hingestellt. Kontaktlos. Sie schrieb mir hinterher: „Gestern im Auto waren wir (sie mit ihrem Mann) kurz traurig, dachten dran, dass wir früher auf einen Sekt, zwei, drei, reingekommen wären.“
Ja so ging es mir auch. Aber nützt ja alles nichts. (Monika Bliesener, Aichwald)

Johannes M. Fischer

Von wegen Brave New World

22:00
30.03.2020
Dienstag, 31. März. Tapfere neue Welt. Im ersten Moment lässt sie mich an Huxleys „Brave New World“ denken.
Und doch ist unsere verrückte Zwischenwelt ganz anders. Ja fast wie ein Gegenstück zur düsteren Gesellschaft im Roman.
Ein Beispiel: Während Huxley eine Welt beschreibt, die zur Bedürfnisbefriedigung auf Konsum fokussiert ist, finden wir uns plötzlich in einer Zwischenwelt wieder, in der der Konsum von jetzt auf gleich an Bedeutung verliert, ja, sogar staatlich durch den Shutdown in großen Teilen unterbunden wird. Viele von uns kaufen (...) nur noch das, was wirklich nötig ist und merken: So viel ist das gar nicht. (...) Ob dieser Effekt wohl anhalten wird, wenn die Krise überstanden ist? (Karina, Both-Peckham, Erfurt)

Johannes M. Fischer

Für Samuel (5 Jahre alt)

22:00
30.03.2020
Dienstag, 31. März. Lieber Samy, dieses Jahr ist sehr ereignisreich und …..ungewöhnlich!
Du hast Dein letztes Kindergartenjahr und kommst in die Schule (...), im August feiern wir Hochzeit in Dänemark und verbringen dort unseren Familienurlaub……wenn alles gut geht…………!!
Seit Anfang des Jahres gibt es das Corona-Virus (...) Du darfst nicht mehr in den Kindergarten und die Schulen sind bei einschließlich 19. April geschlossen. Die Läden, bis auf Lebensmittel- und Drogeriemärkt, Bäcker, Metzger und Baumärkte haben zu. Mehr als 2 Personen dürfen sich nicht auf öffentlichen Plätzen bewegen und wenn man sich begegnet, nimmt man gebührenden Abstand. Alle Termine und Verabredungen sind abgesagt.
Besonders gefährdet sind ältere Personen, deshalb sehen wir uns nicht mehr so oft und geben uns auch keinen Kuss zur Begrüßung und zum Abschied.  (...) Du darfst keine Freunde zum Spielen einladen und auch keine besuchen. (...) Meine Generation hat so etwas noch nicht erlebt….. und wir wissen nicht, welche Krisen du noch erleben wirst!
Wenn du den Tagebucheintrag irgendwann liest, hoffe ich nicht, dass eine Pandemie für dich nichts Ungewöhnliches sein wird.
Jetzt denke, nach dieser überstandenen Krise freuen wir uns besonders auf die kleinen und großen Dinge des Alltags (...)
Deine Oma (Helga Gorzellik , Köngen)

Johannes M. Fischer