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20200615194156

Isolation als Inselurlaub

23:00
27.03.2020
Samstag, 28. März, Fortsetzung vom Vortag.
Dabei hat sie (die Isolation) ihren Ursprung doch in dem bei uns durchaus positiv besetzten Wort der Insel. Mit Insel assoziieren wir Urlaub, Ungestörtsein, blaues Meer ringsum. Die wahre Erholung bringt uns ein Inselaufenthalt. Ob auf den Malediven, Mallorca oder einer Nordseeinsel, hier erhoffen wir uns eine Auszeit, Zeit zum Entspannen und In-den-Tag-leben – rundum Positives. Gerade die Abgeschiedenheit, das Bewusstsein, unerreichbar zu sein für den Rest der Welt, scheint da das Gefühl in uns hervorzurufen, das Entspannung erst möglich macht. Das Abgeschnittensein als Mittel zum Zweck also, als Chance, vielleicht auch Neuanfang. Zugegeben, der moderne Urlauber kennt seine zeitliche Perspektive und ist keineswegs verdammt, auf seiner Insel auszuharren, bis irgendein rettendes Schiff vorbeikommt, um ihn mitzunehmen wie Robinson Crusoe. Seine selbst gewählte Isolation ist meist auf zwei Wochen begrenzt. Diesbezüglich kann man angesichts der aktuellen Lage schwer eine Prognose machen. Aber immerhin dürfen wir „unsere Insel“ weiterhin unter freiem Himmel erkunden. Vielleicht bleibt ja beim Spaziergang ohne Gesprächspartner mehr Aufmerksamkeit für die sich gerade täglich verändernde Natur, die immer praller werdenden Blatt- und Blütenknospen, die emsigen Vögel und die überall farbig leuchtenden Frühblüher. (Auszug aus einem Essay von Julia Koukal, Esslingen.) Fortsetzung folgt.

Johannes M. Fischer

Sport mit Folgen

23:00
27.03.2020
Samstag, 28. März. Sport muss sein. Raus gehen, kein Problem. Zum Glück ist das Wetter schön, sonst würden wir in dieser Situation bestimmt alle depressiv werden. Mein Fitnessstudio bietet online Kurse an. Gestern um 17.30 Uhr habe ich es auf diese Weise mit einem Ganzkörpertraining probiert, eine Live-Übertragung via Facebook. Die Matte auf dem Boden, das Fenster auf, den Blick auf den „Vorturner“ auf dem Bildschirm gerichtet. Alles ging solange gut, so lange Übungen im Stehen vorgemacht wurden.
Dann kamen Bodenübungen, Bauch, Beine Po. Ich liege auf dem Boden, der Bildschirm steht auf dem Schreibtisch. Sehen konnte ich nichts mehr und allein mit Hören war es nicht getan. Immer mal wieder vom Boden aufrichten, den Hals recken und schauen. Kurz überlegte ich, ob ich mich mitsamt Matte auf den Schreibtisch hätte legen sollen…. Heute habe ich Muskelkater. Das nächste Mal muss ich wohl das Tablet auf dem Übungsboden platzieren oder Trainingsprogramme aus der Konserve schauen, die ich anhalten kann, um mich entsprechend zu positionieren. Will alles erst gelernt sein. (Monika Bliesener, Aichwald)

Johannes M. Fischer

Zurückgeworfen auf uns selbst

23:00
26.03.2020
Freitag, 27. März. Wir spüren in dieser Zeit des reduzierten sozialen Lebens, wie sehr wir von Gesellschaft abhängen, wie sehr das Zusammensein mit anderen Menschen uns zerstreut, uns glücklich macht, uns hilft, die eigene Familie auszuhalten oder zu lieben.
Aber warum fällt es uns so schwer, mal ein paar Wochen auf die Nähe und die Bestätigung durch unsere Mitmenschen zu verzichten? Haben wir uns selbst denn so gar nichts zu bieten? Sind nur die anderen geistreich genug, uns zu inspirieren oder unseren Alltag mit Sinn zu erfüllen? Ist nicht gerade die Erfahrung, jetzt mal auf uns selbst zurückgeworfen zu sein, eine Chance? Ich empfinde die Zeit des Alleinseins als meinen privaten Luxus (...). Es geht um die selbst bestimmte Zeit, die Zeit, in der wir unseren Tagträumen und inneren Impulsen nachgehen können, in der nicht äußere Faktoren uns zum Handeln nach Plan anleiten, sondern Gedanken, Ideen, Inspirationen. Bei der Lektüre der Zeitung, beim Blick aus dem Fenster, einer Beobachtung der Natur, bei routinemäßigen Verrichtungen des Alltags – unser Kopf steht nie still und wird in seinem Gedankenstrom doch selten wichtig genommen. Wäre es nicht eine Chance, uns selbst mal ins Visier zu nehmen in dieser besonderen Zeit der Isolation, die schon als Begriff irgendwie negativ besetzt ist. (Auszug aus einem Essay von Julia Koukal, Esslingen.) Fortsetzung folgt.

Johannes M. Fischer