An den 14. März 2020 erinnern sich sicher noch viele Menschen: An diesem Tag startet in Deutschland der erste Lockdown. Alle Termine sind gestrichen, Arbeit und Schule finden bis auf wenige Ausnahmen nur noch in den heimischen vier Wänden statt. Das Leben steht, von einem Tag auf den anderen, still. Für unsere Familie beginnt mit diesem Datum das Leben in Pandemie-Zeiten – und gleichzeitig der Corona-Blog „Zwangsauszeit“, der genau heute seit zwei Jahren täglich aus unserem Alltag in Pandemie-Zeiten berichtet. Das Projekt entsteht damals ganz spontan: in einer der letzten Mittagspausen in der Kantine des „Mannheimer Morgen“. Wir wollen zeigen, wie sich der Lockdown auf das Familienleben auswirkt – ohne Schule, Sport und sonstige Freizeitmöglichkeiten. Zeigen, dass die Folgen auf uns vermutlich ähnlich sind wie auf viele andere Familien in der Region. Und damit nicht Angst und Verunsicherung erzeugen, sondern vor allem Mut machen, die Menschen zum Lachen bringen – und dabei die Geschehnisse der Corona-Pandemie dokumentieren. Die meisten von uns denken zu diesem Zeitpunkt noch, dass der Spuk in wenigen Wochen, höchstens Monaten, vorüber ist. Dass es nach diesem harten, ersten Lockdown stetig aufwärts geht. Tatsächlich tut es das auch, doch seit 731 Tagen gibt es immer wieder Höhen und Tiefen, es ist ein Auf und Ab von Chaos und Normalität, von Hoffnung und Frust, von Nähe und Trauer. Angefangen mit dem Thema Homeschooling und Homeoffice: Monatelang versuchen wir, das Lernen und Arbeiten unter einem Dach irgendwie zu stemmen. Und nebenher noch den Haushalt zu schmeißen. Keine Frage: Wir gehen uns dabei gehörig auf die Nerven, haben aber wenigstens mehrere Zimmer und etwas Grün auf dem Grundstück – uns geht es gut. An manchen Dingen drohen wir zu verzweifeln, doch so vielen Menschen ergeht es tausendmal schlimmer: Ihre Lieben erkranken, sterben, verlieren ihre Existenzen oder zumindest Geld, weil sie lange in Kurzarbeit sind. Wie viele klammern wir uns an die Impfung, die uns doch bitte irgendwie aus diesem Pandemie-Sumpf ziehen soll: an den ersten Piks, dann an den zweiten, den dritten – und demnächst wohl den vierten. In diesen 731 Tagen gibt es auch viele lustige Episoden: wie die unendliche Suche nach Klopapier und Mehl. Die verzweifelten Versuche, die Kinder zu belustigen, die nicht auf die Straße dürfen. Oder den Tag, als unser Sohn für einen Homeschooling-Versuch (!) Kaliumpermanganat benötigt: Wir sind kurz vor dem Ausrasten: Was sollen wir noch alles machen? Doch wir atmen kurz durch, besorgen den Stoff und setzen den Nachwuchs mit Schutzbrille ins Freie. Wir denken auch noch oft an die inzwischen zwei Corona-Heiligabende: Im ersten Jahr stemmt unsere Familie das Krippenspiel in der Kirche, das live übertragen wird – es dürfen ja nur Teilnehmer eines Haushalts vorne agieren. Ein cleverer Schachzug des Pfarrers, der mit uns fast alle Rollen besetzen kann. Im zweiten Jahr holen wir Cousins und Cousinen mit ins Boot. Definitiv: Es gibt in diesen zwei Jahren nicht nur schlechte Momente, sondern auch die Möglichkeit, einen Gang zurückzuschalten, mehr Zeit für die Familie zu haben, weniger Termine. Es gibt viele Menschen, die Mitgefühl zeigen, enger zusammenrücken. Und Leser aus dem In- und Ausland, die uns ihr Herz ausschütten, aber auch mit uns lachen über diesen Wahnsinn. Nähe in Zeiten des Abstands: Das motiviert uns seit Tag 1. In diesen 731 Tagen gibt es aber leider noch mehr als die Pandemie, größere Ereignisse, schockierende: Die Flutkatastrophe im Ahrtal in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 beispielsweise, die Ereignisse in Afghanistan, als die Taliban am 15. August 2021 die Hauptstadt Kabul erobern. Und jetzt, vor zweieinhalb Wochen, der Angriff Putins auf die Ukraine: Zu Recht rückt Corona in den Köpfen der Menschen da in den Hintergrund. Denn keiner weiß, wie die Situation hier morgen oder übermorgen aussieht. Haben Leid und Tod endlich ein Ende? Das Coronavirus ist trotz alldem noch da, verabschiedet sich auch dann nicht, wenn die Welt kopfsteht. Wir behalten es im Auge – und konzentrieren uns auf Dinge, die uns wichtig oder gut für uns sind. Denn Probleme gibt es in dieser Welt genügend. Lassen Sie uns gerade deshalb weiter zusammenhalten, lassen Sie uns daran arbeiten, das Lachen nicht zu verlieren – gerade in diesen Zeiten. Hoffen wir, dass Frieden und Freiheit zurückkehren – in die Herzen aller Menschen dieser Welt. Zurück zu Corona und dem Blog: Vor zwei Jahren, an Tag 1 dieses Tagebuchs, hätte unsere Tochter Abschlussball gehabt. Monatelang haben wir gehofft, der Abend wird irgendwann nachgeholt. Ihr Kleid und die Schuhe hängen noch immer ungetragen im Schrank, passen längst nicht mehr. Die Kleinen sind groß geworden – und unsere Tochter macht bald den Führerschein.
Eva Baumgartner