Der Blick vom Töpfer auf das Dreiländereck D-PL-ČZ. Einer meiner liebsten Orte weltweit. Drei Länder, keine echten Grenzen, kaum noch sichtbar. Immer weniger Menschen ist bewusst, dass wir hier ein Beleg dafür sind, welche üblen Folgen ein Krieg haben kann und wie Menschen es dennoch schaffen, damit umzugehen.
Heute sind es genau 80 Jahre, da die Generation unserer Großeltern und Urgroßeltern im Schlepptau und als Unterstützer eines irren Diktators den bis dato schlimmsten Krieg auf Erden vom Zaun gebrochen hat. Genau deshalb hängt heute am Zittauer Rathaus auch das berühmte Mannheimer-Zitat. Deutschland überfiel am 1. September 1939 sein Nachbarland Polen, nachdem am 23. August mit dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt eine gewisse Sicherheit und in einer widerwärtigen geheimen Nebenvereinbarung die Mitwirkung der Sowjetunion vereinbart war. Zwei Jahre später fühlten sich die Deutschen so sicher und überlegen, dass sie auch Russland erobern wollten. Nach und nach waren dann all die Länder gezwungen zu handeln, die auf internationaler Ebene vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen und für eigene Macht und internationalen Einfluss bislang nur gepokert hatten. Der zweite Weltkrieg war spätestens zu diesem Zeitpunkt voll entfesselt. Wir kennen das Ergebnis, wir wissen heute von den schrecklichen Zahlen, dem Gas, den Kriegsgefangenen, den Millionen an Getöteten, den Deportierten, den Vertriebenen. Jahrzehnte hat es gedauert - und teilweise dauert es noch - bis hier im Dreiländereck Deutsche, Tschechen und Polen wieder einigermaßen vernünftig mit der 1945 neu geschaffenen Grenzsituation umzugehen gelernt haben, ohne gegenseitig Unrecht aufzurechnen und zuzuordnen.
Seinen Anfang hatte dieses Unheil allerdings in einem demokratischen Prozess genommen: Am 5. März 1933 hatte die deutsche Bevölkerung die NSDAP mit 43,9 Prozent der Wählerstimmen in den 8. Reichstag der Weimarer Republik geschickt. Zusammen mit den Sitzen der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (Deutschnationale Volkspartei und Stahlhelm) konnten Adolf Hitler und seine Unterstützer schon im November eine erneute Reichstagwahl ansetzen, bei der es nur noch eine Partei zu wählen gab: Die NSDAP.
Das deutsche Volk hatte sich selbst entmündigt und alle Macht in die Hände der Nationalsozialisten, der Nazis gelegt
Ich bin dagegen, in der heutigen Zeit inflationär mit der Bezeichnung Nazi umzugehen. Wir sind zum Glück (noch) nicht wieder an diesem Punkt angekommen, wir sind durch unsere Erfahrungen, unser Wissen und durch die Errungenschaften, die nur wegen der über 70 Jahre Frieden in Europa möglich waren, heute auf einem ganz anderen Level des europäischen Miteinander angekommen.
Doch eines ist absolut sichtbar und weiterhin möglich: Wenn wir denjenigen, die das Beschriebene und das Unsagbare dahinter schon wieder auf die leichte Schulter nehmen, die wieder unsere Nation vor allen anderen sehen wollen, die mit Krach, Pöbelei und einer beispiellosen Desinformationskampagne politischen Profit machen, wenn wir genau denen zu viel politischen Spielraum und zu viel politische Macht überlassen, indem wir sie wählen oder indem wir sie einfach ungestört machen lassen, indem wir für eigene Zwecke diesen Leuten zu Ansehen, Mitgestaltung und damit zu Macht verhelfen – dann bringen wir unsere Gesellschaft in Gefahr.
Demokratie ist kein Wunschkonzert, sondern harte Arbeit in der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Auffassungen. Demokratie ist auch nicht nur der Job derjenigen, die sich Wahlen stellen und als Politiker unsere Gesellschaft gestalten aber auch für sie dienen und arbeiten wollen.
Demokratie ist ein Prozess, in dem Sie alle gebraucht werden. Nicht nur zur Wahl, nein natürlich auch danach. Nehmen Sie die Leute, die Politik machen, beim Wort, kritisieren oder unterstützen Sie, aber lassen Sie weder Parlamentarier, noch Stadt- und Kreisräte oder Landräte und Bürgermeister einfach machen. Mischen Sie sich ein, gestalten Sie mit – das ist auf vielen alten und neuen Wegen möglich und es können leicht noch weitere entstehen.
Und zu guter Letzt: Gehen Sie heute noch wählen. Wählen Sie was Sie wollen. Lassen Sie andere wählen, was die wollen. Stellen Sie sicher, dass diejenigen, die Sie wählen, auch dem nahe kommen, was Sie persönlich wirklich und ernsthaftig für richtig halten.
Darüber hinaus wäre es für uns alle gut, wenn wir, abseits der inhaltlichen Themen, Menschen und Parteien wählen, die die Demokratie nicht in Frage stellen.