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20190526195419

Kein echter Rechtsruck, aber der Einfluss der Rechten wächst

19:35
26.05.2019
Auf einen deutlichen Rechtsruck in der Politik deutet wenig hin. Parteien wie die deutsche AfD, die italienische Lega und der französische Rassemblement National (früher Front National) blickten zwar am Abend vergleichsweise guten Ergebnissen entgegen. Von einer Mehrheit sind sie allerdings meilenweit entfernt - selbst nach optimistischen Prognosen dürften rechtspopulistische, nationalistische und EU-kritische Abgeordnete nicht einmal 200 der 751 Sitze des Europaparlaments besetzen. Ob die Parteien die politische Arbeit des Parlaments bremsen können, wird viel davon abhängen, ob sie es schaffen, eine große Fraktion zu schmieden. Nur dann werden sie Anspruch auf wichtige Posten im Parlamentspräsidium und in den Ausschüssen erheben können.

dpa

Rollen bald Köpfe bei der SPD?

19:01
26.05.2019
Am Ende bleibt ein zärtlicher Trost: Als SPD-Chefin Andrea Nahles und Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley im Willy-Brandt-Haus die Bühne verlassen, streicheln sie einander den Rücken. Beide Frauen sind tief enttäuscht. Die eine, Barley, hat „alles gegeben“, mehr sei nicht gegangen. Knapp 16 Prozent sind jedoch eine Katastrophe, das weiß sie. Die andere, Nahles, muss um ihre politische Zukunft bangen. Die Gerüchte um einen „Putsch“ gegen sie haben an diesem Abend neue Nahrung erhalten. Als erster hat schon mal Ex-Parteichef Sigmar Gabriel „die Verantwortlichen“ der Partei dazu aufgerufen, „Konsequenzen“ zu ziehen.

Die Frau aus der Eifel, die seit Juso-Zeiten weiß, wie schnell Spitzenkräfte ins Abseits gestellt werden können, baut schon mal vor: Die Erneuerung der SPD sei ein schwieriger Weg, man dürfe ihn jetzt nicht „auf halber Strecke“ abbrechen. Mit anderen Worten: Nahles bittet nur noch um Zeit. Denn eines ihrer Ämter dürfte sie bald los sein. Den Vorsitz in der Bundestagsfraktion wird sie wohl aufgeben. Ein „neues Gesicht“, so heißt es allenthalben, soll die SPD nach außen vertreten, weniger schrill, weniger dröhnend. Ob es das ist, was SPD-Generalsekretär kurz nach der 18-Uhr-Prognose im Fernsehen andeutet? Dieses Ergebnis könne „nicht ohne Folgen bleiben“. Ob allein Personalwechsel die SPD retten werden, ist indes fraglich. Klar ist nach der ersten Analyse: Die SPD ist bei Erstwählern kaum noch gefragt. Nur sieben Prozent finden die Sozialdemokratie attraktiv. Und bei den Unter-30-Jährigen sieht es ähnlich aus: Zehn Prozent wählten die SPD, weniger geht kaum. Nahles spricht eine banale Wahrheit aus: „Wir haben uns auf die starke Veränderung der politischen Landschaft nicht eingestellt.“

Nicht banal, sondern bitter ist die Wahrheit für zwölf Europa-Abgeordnete der SPD: Sie verlieren laut Prognose ihr Mandat, nur 15 Sitze hat die Partei noch retten können. Und in Bremen ist der Status der stärksten Fraktion nun auch Geschichte. In diesem Sinne war es ein denkbar historischer Abend für die SPD.

Winfried Folz