Angesichts einer weiter kritischen Corona-Lage hat die Virologin Melanie Brinkmann vor dem Wegfall von Schutzinstrumenten wie der Maskenpflicht gewarnt. Es sei nach wie vor «absolut wichtig», Infektionen zu vermeiden, sagte die Professorin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung am Montag in einer Anhörung des Bundestags. Bei weiteren Lockerungen stiegen die Infektionszahlen wieder. Mit Öffnungen würden auch Ungeimpfte verstärkt ins Geschehen gebracht, die bisher abgekapselt gewesen seien. Auch besonders gefährdete Gruppen könnten sich nicht hundertprozentig schützen.
Brinkmann sagte, es sei wichtig, Instrumente aufrechtzuerhalten, die wirkten. Dies wisse man von Masken in Bereichen, in denen viele Menschen in Innenräumen zusammenkommen. Einheitliche Regeln würden von der Gesellschaft sehr begrüßt. Viele seien gerade «der falschen Annahme, dass der Sommer entspannt wird». Zwar habe es einen saisonalen Effekt in den Sommern 2020 und 2021 gegeben, zu diesen Zeitpunkten habe es aber strikte Maßnahmen gegeben. Bei einer Aufhebung könnten die Zahlen auch im Sommer steigen.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck agte, man sei in einer anderen Phase der Pandemie. Es gebe zwar nie da gewesene Infektionszahlen, die Belastung der Kliniken habe sich aber davon abgekoppelt. Mit besserem Wetter im Sommer könne man mit abnehmenden Infektionszahlen rechnen. Dies sei «ein guter Zeitpunkt, besonnen Maßnahmen zurückzufahren» und sich von solchen zu trennen, deren Wirksamkeit nicht klar bewiesen sei. Er nannte etwa Zugangsregeln wie 2G und 3G.
Am Mittwoch soll der Bundestag erstmals über einen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten Entwurf beraten. Dabei geht es um eine neue Rechtsgrundlage für Beschränkungen, wenn die jetzige ausläuft. Nach einem Bund-Länder-Beschluss sollen zum 20. März alle tiefgreifenderen Maßnahmen wegfallen, ein «Basisschutz» soll aber bleiben. Der Entwurf sieht noch Maskenpflicht in Pflegeheimen, Kliniken und im Nahverkehr vor - und Testpflicht in Heimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll auch die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen.
Ein Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft erläuterte, dass der Betrieb in den Kliniken im Moment weit vom Normalbetrieb entfernt sei. Er verwies auf einen hohen Krankenstand beim Personal. Planbare Eingriffe müssten weiter verschoben werden. Eine Vertreterin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte, der Entwurf bilde bisher nur ein Testgebot für Schulen ab. Gebraucht würden aber weiter Möglichkeiten, vor Ort Maskengebote auszusprechen. Mehrere Sachverständige verwiesen auf rechtlich unklare Bestimmungen für die Landtage bei den vorgesehenen Regelungen zu Corona-Hotspots.