Letztes Update:
20211126154717

15:48
26.11.2021
Wie verbreiten sich Varianten überhaupt über Länder hinweg?

Der Flugverkehr und Reisen insgesamt sind die wesentlichen Verbreitungswege für Viren. Sie können so innerhalb von Stunden von einem Land ins andere, sogar von einem Kontinent zum nächsten gelangen und, einmal dort angekommen, neue Infektionsketten starten. Die Beschränkung des Flugverkehrs zählt deshalb zu den Maßnahmen, die bei Auftauchen einer als bedrohlich eingestuften Virusvariante getroffen werden können - so wie es auch jetzt bei der neu entdeckten Variante gemacht wird. Aber: «Wir werden die Varianten nicht aus Europa raushalten können, wir können aber wertvolle Zeit gewinnen, um an bessere Daten über das Virus zu kommen», sagt Watzl.

Die WHO hat sich vorerst gegen Reisebeschränkungen ausgesprochen. Sprecher Christian Lindmeier sagte am Freitag in Genf, Staaten könnten auch ohne solche Einschränkungen eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung von neuen Varianten einzudämmen. Dazu gehörten die genaue Beobachtung des Infektionsgeschehens und die Genanalyse von auftretenden Corona-Fällen.

Was ist Experten zufolge jetzt zu tun?

Ziel müsse es sein, den Eintrag dieser Variante so weit wie möglich zu vermeiden, sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin. «Das ist das Letzte, was wir jetzt in unserer momentanen Lage noch brauchen können, dass in die Welle hinein noch eine zusätzliche Variante kommt.» Spahn forderte alle Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Südafrika und der Region nach Deutschland gekommen sind, dazu auf, sich mit einem PCR-Test sicherheitshalber auf das Virus testen zu lassen.

Zusätzlich zu den Reisebeschränkungen müsse die Erforschung der Virusvariante nun vorangetrieben werden, sagt DGfI-Generalsekretär Watzl. Über Laboruntersuchungen sei feststellbar, ob sich die Immunantwort auf den neuen Virustyp verändert hat. In zwei bis drei Wochen könne man mit ersten Ergebnissen rechnen. Erst später werde sich über größere Studien in der Bevölkerung herausstellen, ob die Variante ansteckender sei als andere und ob sie den Krankheitsverlauf beeinflusse.

Ist es Zufall, dass die Variante in Südafrika nachgewiesen wurde?

Ob die Variante in Südafrika ihren Ursprung hat, ist derzeit ungewiss. Denkbar ist auch, dass sie aus anderen Ländern nach Südafrika gekommen ist und dort nur erstmals erkannt wurde. Der Kap-Staat verfügt über gute Virologen, die stutzig wurden, als die täglichen Infektionsraten im Land innerhalb weniger Tage von einigen hundert Fällen auf mehr als 2000 hochschnellten. Betroffen ist vor allem der Großraum um die Millionenmetropole Johannesburg und die Hauptstadt Pretoria. Diese «Gauteng-Provinz» ist die wirtschaftliche Kernregion des Landes und stellt etwa 80 Prozent der täglichen Neuinfektionen landesweit. Eine Häufung der Fälle wurde auf dem Campusgelände einer Universität in Pretoria ausgemacht.

(dpa)

Drosten zur neuen Virusvariante: Mehr Daten zur Beurteilung nötig

15:46
26.11.2021
Bei der Einschätzung der in Südafrika neu entdeckten Virusvariante gibt es dem Berliner Virologen Christian Drosten zufolge noch viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. «Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise», teilte Drosten am Freitag der Nachrichtenagentur dpa mit.

Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte. «Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen», erklärte der Virologe von der Berliner Charité. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.

In Südafrika habe es im dortigen Winter eine große Welle der Delta-Variante gegeben, so Drosten weiter. Es sei wahrscheinlich, dass das Ende der Verbreitungswelle durch Bevölkerungsimmunität verursacht wurde. «Da das Infektionsgeschehen zuletzt stark reduziert war, ist es denkbar, dass neu auftretende Ausbrüche vor einem sehr kleinen Hintergrund an anderen Viren übergroß erscheinen, und dies in anderen Ländern, in denen eine höhere momentane Infektionstätigkeit herrscht, kaum auffallen würde», so Drosten. Diese Unsicherheit werde sich in wenigen Tagen aufklären.

Das Auftauchen der Variante B.1.1.529, die zunächst in Südafrika identifiziert wurde, hat international Besorgnis ausgelöst. Am Donnerstag hatte das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten NICD mitgeteilt, es seien in Südafrika 22 Fälle der neuen Variante nachgewiesen worden. Mit mehr Fällen sei im Zuge der laufenden Genomanalysen zu rechnen. Mittlerweile wurden auch aus anderen Ländern Infektionen mit der Variante gemeldet, unter anderem aus Belgien.

Die Variante weist besonders viele Mutationen auf, die in dieser Kombination bisher nicht bekannt sind. Die genetischen Veränderungen betreffen zum einen das Spike-Protein, über das die Viren an menschliche Zellen andocken. Darüber hinaus ist eine Region betroffen, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Experten fürchten, dass die Variante ansteckender ist als vorherige Varianten oder die Impfstoffe nicht mehr wirken.

«Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen», meint Drosten. Der Schutz gegen schwere Infektionen sei besonders robust gegen Virusveränderungen. «Der beste Schutz auch gegen die neue Variante ist daher das Schließen aller Impflücken in der Bevölkerung und die schnelle Verabreichung von Auffrischungsimpfungen.»

(dpa)

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