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Große Mehrheit erwartet schärfere Corona-Maßnahmen im Herbst

10:36
04.07.2021
Trotz fortschreitender Impfkampagne rechnet eine große Mehrheit der Deutschen im Herbst mit steigenden Corona-Infektionszahlen und neuen staatlichen Beschränkungen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sagten 76 Prozent, dass sie einen Anstieg der Infektionszahlen erwarten. 74 Prozent gehen von einer Verschärfung der Maßnahmen gegen die Pandemie im Herbst aus. Nur 16 Prozent meinen, dass es keine neuen Einschränkungen geben wird. Zehn Prozent machten keine Angaben.

In Deutschland war die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) am Samstag erstmals seit rund elf Monaten wieder unter 5 gefallen. Am Sonntag stieg sie aber erstmals seit vielen Wochen wieder an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den bundesweiten Wert mit 5,0 an. Auch die Zahlen für Gesamteuropa steigen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wieder.

Kanzleramtschef Helge Braun hatte Geimpften am Freitag Hoffnung gemacht, dass es für sie auch bei einer neuen Corona-Welle keinen neuen Lockdown geben wird - wenn die Impfungen sich auch gegen Varianten behaupten. «Solange unsere Impfung sehr gut wirkt, kommt ja ein Lockdown zulasten derer, die vollständig geimpft sind, auch nicht infrage», sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenradio MDR Aktuell. «Sondern denjenigen, die geimpft sind, kann man dann auch die Normalität ermöglichen - den Besuch im Konzert genauso wie das Einkaufen.»

(dpa)

Helfen Filter gegen Delta in Schulen? Kretschmann muss entscheiden

09:02
04.07.2021
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will Anfang dieser Woche über die Ausrüstung von Schulen und Kitas mit Luftreinigern entscheiden. Wie die dpa am Wochenende aus Regierungskreisen in Stuttgart erfuhr, hat Kretschmann die beteiligten Ministerien schon in der Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag dringend aufgefordert, endlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung für mobile Raumluftfilter vorzulegen. Es könne nicht sein, dass man nach eineinhalb Jahren Corona-Krise noch nicht genau wisse, ob die Filteranlagen das Infektionsrisiko deutlich senken oder nicht.

Es geht um viel Geld. Die mobilen Geräte kosten zwischen 3000 und 4000 Euro. Im Südwesten gibt es mehr als 67 000 Klassenzimmer. Würde man alle ausrüsten, käme man auf Kosten von rund 270 Millionen Euro. An diesem Montagabend kommen Landesregierung und Kommunen zur Gemeinsamen Finanzkommission zusammen. Dabei soll es dem Vernehmen nach neben Corona-Hilfen für gebeutelte Städte und Gemeinden auch um die Luftfilter gehen. Die Kommunen sind für die meisten Schulen als Träger zuständig. Hinzu kämen noch die etwa 9300 Kitas im Land.

Mittlerweile haben Kultus- und Sozialministerium ihre Einschätzung abgeliefert. Nach dpa-Informationen heißt es in dem Papier, dass die Filter ein Baustein für mehr Sicherheit in Klassenzimmern und Kita-Räumen sind. Das entspricht in etwa der Empfehlung des Umweltbundesamts, das erklärt hatte, dass mobile Luftfilter nur eine Ergänzung zum aktiven Lüften sein könnten.

Die Ministerien bringen dem Vernehmen nach die Möglichkeit ins Spiel, vor allem die unteren Klassen mit Raumfiltern auszurüsten, weil für Kinder unter 12 Jahren noch keine Impfungen zugelassen sind. Die Ständige Impfkommission hat bisher aber auch keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen.

Der politische Druck auf die Koalition wächst, weil die gefährliche Delta-Variante des Coronavirus wieder dazu führen könnte, dass Schulen und Kitas im Herbst geschlossen werden müssen. Einige Länder wie Berlin oder Hessen sind schon weiter als Baden-Württemberg. Bayern hat das Ziel ausgerufen, dass es bis zum Herbst in allen Klassenzimmern einen Luftreiniger geben soll. Der Freistaat will den Kommunen dafür 50 Prozent der Anschaffungskosten erstatten, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangene Woche ankündigte. Politische Brisanz erhält das Thema aber auch dadurch, dass zwei Wochen nach Ende der Sommerferien in Bayern und Baden-Württemberg Bundestagswahl ist.

Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatten sich zuletzt äußerst skeptisch über die Wirkung der mobilen Filtergeräte geäußert. Allerdings hatte die grüne Landtagsfraktion schon Schoppers Vorgängerin Susanne Eisenmann (CDU) dazu gedrängt, die Anschaffung der Filter voranzutreiben. Damals hatte das Land den Schulen über die Schulträger schon ein Budget von 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt habe, das auch für die Beschaffung mobiler Luftreiniger eingesetzt werden könne. Jedoch konnten mit dem Geld auch digitale Geräte beschafft werden.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch wundert sich über Kretschmann: «Der Ministerpräsident zögert noch immer bei einer flächendeckenden Lüfter-Ausstattung der Klassenzimmer, hat aber sein Staatsministerium damit großzügig ausstatten lassen.» Das Land dürfe sich angesichts der Delta-Variante nicht erneut sehenden Auges in Schulschließungen hineinmanövrieren. «Es braucht Luftfilter in allen Klassenzimmern des Landes.»

Auch die Lehrerverbände und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dringen seit langem auf die Anschaffung der mobilen Filteranlagen. GEW-Landeschefin Monika Stein forderte das Land auf, die Kommunen finanziell zu unterstützen, sonst drohe ein Flickenteppich, da manche Städte und Gemeinden das wegen der Corona-Krise nicht allein stemmen könnten. Für Verdi im Südwesten warnte Sprecher Andreas Henke: «Wir laufen völlig naiv auf den Herbst zu.» Bei schlechtem Wetter müssten die Kinder wieder in ihre Gruppenräume. «Wir brauchen das Maximum an Schutz, da gehören Luftfilter dazu.»

(dpa/lsw)

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