Die Gamerin Melek Balgün, 29, sprach im FlyingLab der Lufthansa über das Wesen des E-Sports, in dem Teamarbeit alles ist. Ein schnelles Interview
Melek, was kann ich vom Computerspielen über Teamarbeit lernen?
Dass ich mit egoistischem Verhalten nicht weit komme. Ich muss zu 100 Prozent Teamplayer sein, wenn ich zum Beispiel bei Counterstrike erfolgreich sein will. Es ist unheimlich wichtig, die Mitspieler in ihren Rollen und Zuständigkeitsbereichen zu kennen und zu akzeptieren.
Wie groß sind die Teams bei Counterstrike?
Fünf Spieler. Beim Panzerspiel World of Tanks werden im Turniermodus sieben Spieler je Team benötigt.
Wie lernst du deine Teams kennen?
Die absoluten Profis machen das ja als Vollzeitjob, 40 Stunden oder mehr die Woche. Die bekommen einen ordentlichen Monatslohn und ziehen sich teilweise drei Monate am Stück gemeinsam in einnem Haus zurück und trainieren.
Und wenn ich kein Profi bin?
In den unteren Ebenen findet man sich online zusammen, kommuniziert über Mikrofon am Computer, addet sich als Freund und überlegt irgendwann, ob man nicht ein Team aufmacht. Es kann sein, dass man sich trotz stunden- und tagelangen Trainings nie persönlich kennenlernt und doch sehr viel voneinander weiß.
Inwiefern?
Wir tauschen uns während der Spiele aus, auch in den Trainingssessions, wenn wir zum Beispiel Zugriffe üben: Wie stürme ich im Rahmen des Spiels eine bestimmte Position mit meinem Team? Diese Übung machen wir manchmal 100 Mal oder häufiger hintereinander. So lange, bis der Zugriff sitzt! Es kann sein, dass ein Spieler stundenlang eine Granate auf denselben Fleck wirft, nur um die Stelle aus jeder Lage perfekt zu treffen. Wir reden ständig miteinander, halten Taktikrunden, analysieren die Spiele des Gegners und überlegen, wie wir die Spielmechanik des gegenerischen Teams aushebeln könnten. Dabei lernt man alle Fähigkeiten seiner Teammitglieder kennen.
Wie wird man Teamleader bei Counterstrike?
Wenn man viel Routine im Spiel hat und das Interesse, ein Team weiterzubringen; wenn man in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen; wenn man stressresistenter als andere ist. Als sogenannter Ingame-Leader bei Counterstrike muss man sich auf das eigene Spiel konzentrieren, muss die Karte im Auge behakten, muss schauen, was die anderen gerade machen. Man muss die Zugriffe, die nur beschränkt sichtbar sind analysieren und zwei Schritte vorausdenken. Und manchmal muss man auch nur in der Lage sein, auf den Tisch zu hauen.
Du sprichst tatsächlich wie die Führungskraft eines Unternehmens.
Computerspielen ist mehr als das eigentliche Spielen. Bei Counterstrike habe ich zum Beispiel ein Team aus Polizisten und eines aus Terroristen. Die Teams müssen sich gegenseitig ausschalten. Dabei geht es nicht um Schießen, dabei brauche ich vor allem Strategien, die Spieler müssen sich auswendig kennen, müssen als Einheit zusammenwachsen, müssen sich entwickeln und verbessern. Es geht immer um übergreifende Fragen: Wie baue ich meine Runde auf? Wie begegne ich meinen Gegnern? Wie trete ich als Team auf? Das fasziniert die Menschen am Spiel.
Dein Tip an jemand, der drauf und dran ist, in seiner Arbeit ein Team zu übernehmen?
Lern unbedingt die Charaktere kennen! Du kannst jeden Plan verwerfen, wenn er nicht zu deinen Teammitgliedern passt.
Was kannst du am besten?
Ich war immer der Sniper. Ich war die, die kühlen Kopf bewahren konnte und warten konnte, die auf den Punkt die Leistung erbringen konnte. Ich kann aber auch gut motivieren.
Wie?
Wenn es Rückschläge gibt, versuche ich die Aufmerksamkeit auf die positiven Dinge zu lenken: Es ist okay, zu verlieren und falsch zu liegen, so lange wir etwas daraus lernen. Ich muss aus jeder noch so schlimmen Situation was Positives herausarbeiten und sagen: Schau, darauf bauen wir auf.
Hier ist Melek auf Instagram und hier auf Facebook. Interview: PW
Peter Wagner