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Straßenwahlkampf wird in Corona-Zeiten kaum vermisst

08:18
21.02.2021
Drei Wochen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es fast keinen Straßenwahlkampf - aber auch nur wenige, die ihn vermissen. Flyer verteilen in der Fußgängerzone, ein Vor-Ort-Gespräch mit dem Abgeordneten: all das gibt es während der Corona-Pandemie nur selten. Ob und wann sich das im Superwahljahr 2021 ändert, ist unklar. Doch eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland hat damit kein Problem, wie eine Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab: 73 Prozent der Befragten fehlt bei einem rein digitalen Wahlkampf nichts.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann wäre die Bekämpfung der Corona-Pandemie für viele das wichtigste Wahlthema: 45 Prozent der Befragten sehen das so. Aber noch etwas mehr (46 Prozent) sind der gegenteiligen Ansicht.

Auf die konkrete Wahlentscheidung für eine Partei hat die Pandemie laut Umfrage ebenfalls nur wenig Einfluss. Nur 13 Prozent der Befragten würden deshalb ihr Kreuz zur Bundestagswahl bei einer anderen Partei machen. 29 Prozent gaben an, andere Gründe als die Pandemie zu haben, um diesmal eine andere Partei zu wählen. Für 39 Prozent der Befragten ist die Pandemie kein Anlass, sich für eine andere Partei als sonst zu entscheiden.

In einem anderen Punkt deutet sich aber ein verändertes Wahlverhalten an: Mehr als jeder Zweite (52 Prozent) gab an, derzeit eine Briefwahl zu bevorzugen. Nur jeder Dritte (31 Prozent) würde derzeit zur Stimmabgabe ins Wahllokal gehen. Die Zahl der Briefwähler hatte bereits in den Vorjahren stetig zugenommen. Wegen der Einschränkungen durch die Pandemie wird ein weiterer Anstieg des Anteils der Briefwähler erwartet.

Auch wenn die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Kritik hervorrufen, scheint vor allem die Union mit ihrer Corona-Politik auf Zustimmung zu stoßen. Dies zeigen die Antworten auf die Frage, mit den Positionen welcher Partei zur Bekämpfung der Pandemie sich die Befragten am ehesten identifizieren können: 29 Prozent sagen CDU/CSU, 9 Prozent nennen die SPD, 8 Prozent die AfD, jeweils 7 Prozent die Grünen und die FDP, 4 Prozent die Linke.

Bei der repräsentativen Online-Umfrage wurden zwischen 17. und 19. Februar 2073 Menschen in Deutschland im Alter von 18 Jahren oder älter befragt.

In diesem Jahr werden Landesparlamente in sechs Bundesländern gewählt. Am 26. September ist die Bundestagswahl.

(dpa/lsw)

Noch digitaler als geplant: Corona-Folgen für Schüler-Opernprojekt

08:17
21.02.2021
Wenn Vincent Gutmann für seinen Opernauftritt probt, kann ihn keiner hören. Das Mikro ist auf stumm geschaltet. Zu Hause in seinem Zimmer in Hohberg (Ortenaukreis) summt er, schnipst mit den Fingern einen Rhythmus, spricht immer wieder dieselbe Textstelle. So tief wie möglich, fordert Musiklehrerin Rebecca Tüttelmann. «Der Vorteil ist: Es hört euch keiner!»

Wie ein Großteil des Schulunterrichts dieser Tage lief auch das Projekt «Diggin' Opera» digital. Wöchentlich schalteten sich Schülerinnen und Schüler des Oken-Gymnasiums in Offenburg mit ihrer Lehrerin und Theaterpädagoge Rob Doornbos zusammen und übten Singen.

«Es läuft deutlich besser als gedacht», sagte Gutmann. Wenn einer vorsinge, müssten die anderen ihr Mikro ausschalten. Zudem gebe es Einzelunterricht, sagte der 14-Jährige. «Wir haben einmal probiert, im Chor zu singen. Das war unmöglich.» Mit Zeitverzögerung in Videokonferenzen hatten wohl viele in letzter Zeit schon zu kämpfen.

Das Projekt zur Musikvermittlung will 13 Schüler aus Offenburg und 20 aus Limerick zusammenbringen. Während in Baden gerade am Gesang gearbeitet wird, steht in Irland das Bühnenbild auf dem Programm. Die Schüler sind voll in den Entstehungsprozess der Oper eingebunden.

Geplant ist eine Aufführung Ende April im Festspielhaus Baden-Baden. Hier würde Neuntklässler Gutmann, der seit Jahren Theater spielt, gerne mal auf der Bühne stehen. Daher mache er bei «Diggin' Opera» mit. «Das ist eine einmalige und richtig coole Gelegenheit.»

Nur ob es soweit kommt? «Wir haben einen digitalen Plan A», sagt Björn Lengers von den «CyberRäubern», die künstlerischen Leiter und Regisseure. «Die Bühne ist Plan B.» Wegen der internationalen Zusammenarbeit habe das Projekt von Anfang an eine digitale Komponente gehabt. Durch Corona werde diese umso größer.

Sein Kollege Marcel Karnapke formuliert es ein wenig deutlicher: «Wir gehen vom Worst Case aus und machen sehr vieles digital.» Er betont aber auch: «Wir wollen den Kindern nicht die Chance nehmen, auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten - wenn es erlaubt ist.»

Die «CyberRäuber» verknüpfen Theater und virtuelle Realität. Mittels sogenannter VR-Brillen erwecken sie Avatare zum Leben und lassen digitale Bühnenbilder entstehen. Technisch sei das binnen kurzer Zeit möglich, versichert das Duo. Gut zwei Monate vor der Premiere wirken die beiden daher auch noch ziemlich entspannt.

«Wir stoßen bei dem Projekt aber an die Grenzen einer Welt, die noch nicht im Digitalen angekommen ist», sagt Karnapke. Nicht alle seien technisch firm, nicht überall sei das Internet stabil.

Dennoch können sie der Lage Positives abgewinnen: Da bei den Proben immer wieder Schüler in Einzelcoachings gehen, hätten sie einen viel direkteren Blick, sagt Lengers. Und mit einer digitalen Version werde wohl ein größeres Publikum auch fernab des Festspielhauses erreicht - auch wenn die konkreten Pläne für die Aufführung noch nicht stehen.

Grundlage für die zweite Ausgabe des Opern-Projekts, das die Felicitas-und-Werner-Egerland-Stiftung finanziert, ist das Gedicht «The Second Coming» vom irischen Dichter William Butler Yeats. In einer Zeile heißt es «Things fall apart», auf Deutsch etwa: «Dinge zerfallen», «Dinge zergleiten». Das passe bestens in die aktuelle Situation, findet Karnapke. «Jetzt geht es darum, Dinge zu finden, die uns verbinden, die uns auch zusammenhalten.» So fragt auch Theaterpädagoge Doornbos die Offenburger Schüler in einer Stunde nach ihren Ängsten und Sorgen und ob die Zeit gerade eine besondere sei.

Komponist Micha Kaplan hat die Musik für das Stück geschrieben und übt sie mit den Musikern ein. Am Ende soll alles live und in Echtzeit während der Inszenierung zusammengefügt werden. «Das ist eine spannende Frage, wie wir das so inszenieren, dass die Musik ihre Wucht entfalten kann wie auf einer richtigen Bühne», sagt Lengers. Und wieder klingt es so, als gebe es nur Plan A, die virtuelle Bühne.

Für Vincent Gutmann würde dann vielleicht der Auftritt auf der Festspielhaus-Bühne in Baden-Baden platzen. Aber auch so macht ihm die Arbeit viel Spaß, sagt der 14-Jährige. Das Textlernen sei für ihn kein Problem. Nur mit dem Gesang tue er sich noch schwer. Einige Töne seien zum Beispiel etwa zu hoch für seine Stimmlage. Aber bei den digitalen Proben sei das kein Thema: «Da geniert sich keiner.»

(dpa/lsw)

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