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Uni-Rektoren: In Coronakrise ist bei Universitäten Knoten geplatzt

08:06
22.01.2021
Die Veränderungen durch die Pandemie haben den baden-württembergischen Hochschulen nach Einschätzung der Landesrektorenkonferenz einen deutlichen Schub versetzt. «Die Coronakrise hat dazu geführt, dass bei uns in dieser Hinsicht ein Knoten geplatzt ist», sagte Stephan Dabbert, der Vorsitzende der Konferenz und Rektor der Stuttgarter Universität Hohenheim, den «Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung» (Freitag). «Das wäre sonst mit Geld und guten Worten nicht in zehn Jahren machbar gewesen.»

Das Land investiert seit mehreren Jahren in die Digitalisierung der Hochschulen. Im vergangenen Semester hatte es 40 Millionen Euro Soforthilfe für coronabedingten Zusatzbedarf bewilligt. Zuletzt waren weitere Corona-Hilfen für Hochschulen in Höhe von mehr als 70 Millionen Euro beschlossen worden. Einen großen Teil dieser jüngsten Mittel erhalten die Universitäten im Südwesten mit 37 Millionen Euro. Nach früheren Angaben von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) ist das Geld zweckgebunden für das Digitale, also zum Beispiel für IT-Spezialisten, Hardware, Software, Lizenzen.

Dabbert lobte vor allem den Willen der Universitäten, die Herausforderungen der Corona-Auflagen anzunehmen. «Ich erlebe eine Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die es so nicht gab», sagte er den Zeitungen. «Das betrifft nicht nur die Lehre, sondern alle Aspekte der Hochschule.» Die jüngste Finanzierungshilfe des Landes werde nach seiner Einschätzung aber noch nicht ausreichen für eine «durchgreifende Digitalisierung». Er appellierte an die Landesregierung, ein strategisches Programm für mehrere Jahre aufzulegen. «Mit 100 Millionen Euro pro Jahr könnten die Universitäten bei der Digitalisierung einen kräftigen Sprung nach vorne machen», sagte Dabbert.

(dpa)

Gemeinderäte in BW nutzen Video-Konferenzen nur zögerlich

08:05
22.01.2021
Das Coronavirus hat enorme Auswirkungen auf die Gemeinderatsarbeit im Südwesten. Beispiel Baden-Baden: Dort hatten sich Ende Dezember 2020 Gemeinderäte auf dem mit Flutlichtern beleuchteten Rathaus-Innenhof mit Masken und Stimmkarten in gebührendem Abstand voneinander versammelt. In 15 Minuten wurden - auch dank niedriger Temperatur - zwölf Tagesordnungspunkte abgehakt. Da solch frische Open-Air-Veranstaltungen nicht jedermanns Sache sind, stimmte der 40-köpfige Stadtrat damals für eine Änderung seiner Hauptsatzung. Damit kann er künftig auch gemütlich von zu Hause ohne Infektionsrisiko über eine Internet-Schalte die Geschicke der Stadt beraten und beschließen.

Anders als Baden-Baden tun sich viele Kommunen in Baden-Württemberg mit der Einführung von Video-Konferenzen schwer. Der Städtetag sieht dafür einen Hauptgrund: Die Bedingungen für eine Gemeinderatsitzung ohne persönliche Anwesenheit im Saal seien außerhalb einer Pandemiehochphase schwer nachzuweisen. Nach Worten von Städtetagsdezernent Norbert Brugger plädiert sein Verband für eine vereinfachte Regelung mit mehr Spielraum. Man hoffe auf offene Ohren der nächsten Landesregierung.

Die Möglichkeit von Video-Konferenzen für Gemeinderäte hatte der Landtag unter dem Eindruck des ersten Lockdowns im Mai 2020 beschlossen und in der Gemeindeordnung verankert. Ziel war, die kommunalen Gremien arbeitsfähig zu halten. Bis Ende 2020 konnten die Gemeinderäte noch ohne Änderung der Hauptsatzung per Laptop zusammenkommen, seit Anfang dieses Jahres müssen sie dafür die Neuregelung in ihre Hauptsatzung aufnehmen. Das gilt auch für Kreistage, die kommunalen Zweckverbände und die Sparkassengremien.

Nach einer Umfrage des Innenministeriums haben bis Mitte November vergangenen Jahres sieben Städte und Gemeinden von der Neuerung Gebrauch gemacht, darunter Sindelfingen, Dettingen an der Erms und Tübingen. Auch die Kreistage Tübingen und Biberach nutzten die neue technische Lösung.

24 Städte und Gemeinden beschlossen, die Neuregelung längerfristig in ihren Hauptsatzungen zu verankern. Darunter sind so kleine wie Angelbachtal (Rhein-Neckar-Kreis) und so große wie Karlsruhe. Vier Kreistage - Esslingen, Lörrach, Alb-Donau-Kreis und Tübingen - legten die Video-Technik ebenfalls als wünschenswerte Option in ihren Satzungen fest.

Mit Blick auf 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg spricht Städtetagsexperte Brugger von einer zögerlichen Annahme. Auch das Innenministerium räumt ein, dass bis November von dem Instrumentarium wegen der verhältnismäßig niedrigen Infektionszahlen wenig Gebrauch gemacht wurde. «Nachdem das Infektionsgeschehen stark zugenommen hat, wird der Bedarf voraussichtlich steigen», sagt ein Ministeriumssprecher.

Brugger sieht den Bedarf ebenfalls und will die Nutzung von Video-Sitzungen gerade deshalb erleichtern. Zu den Einschränkungen im neuen Paragrafen 37a der Gemeindeordnung gehört, dass die Gemeinderäte derzeit über das Internet nur Gegenstände «einfacher Art» beraten und darüber abstimmen dürfen. Doch was ist «einfach»? Nach Bruggers Ansicht sind das Fragen, die ohnehin bereits im digitalen Umlaufverfahren erledigt werden. Das Innenministerium verweist hingegen darauf, dass es sich dabei um einen gängigen Begriff in der Gemeindeordnung handelt. «Das heißt, dass es um nicht kontrovers diskutierte, weder sachlich noch technisch komplexe Inhalte gehen muss - kurz, nicht um Dinge von grundlegender Bedeutung», sagt der Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Bei anderen Themen darf der Gemeinderat nur online zusammenkommen, wenn die Sitzung andernfalls aus «schwerwiegenden Gründen» nicht ordnungsgemäß einzuberufen wäre. Abgesehen von Pandemien, Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen könnten die Gemeinderäte nicht sicher sein, welche anderen «schwerwiegenden Gründe» den Verzicht auf eine Präsenzsitzung rechtfertigen, bemängelt Verbandsmann Brugger. Dazu fehlten Verwaltungspraxis und Rechtsprechung.

Aus Sicht des Innenministeriums wäre es nichts Außergewöhnliches, wenn Gemeinderatsbeschlüsse überprüft werden. Generell sollten Video-Konferenzen nicht zur Regel werden. Der Sprecher betont: «Der persönliche Austausch im Gemeinderat ist wichtig.»

Melanie Leible von der Geschäftsstelle des Gemeinderates Baden-Baden wünscht sich mehr Spielraum: So könne die Vereinbarkeit von Familie und Gemeinderatsarbeit verbessert werden, wenn sich Eltern per Videoschalte einbringen könnten. Auch für erkrankte oder mobilitätseingeschränkte Räte wäre das von großem Vorteil, meint sie. Derzeit können diese sich nur als stumme Zuhörer ohne Rede- und Abstimmungsrecht zuschalten.

Schwierig findet der Städtetag auch, dass Zuschauer nicht generell Ratssitzungen im Internet verfolgen dürfen. Vor jeder Sitzung muss der Gemeinderat dafür grünes Licht geben. In anderen Bundesländern dürfen laut Verband Interessierte seit vielen Jahren ohne Hürden die Sitzungen der Volksvertreter verfolgen, wenn diese das so einmal beschlossen haben. Im Südwesten muss immer auch noch ein öffentlicher Raum für Besucher bereitgestellt werden, in den die für die Stadträte digitale Tagung übertragen wird. Brugger findet das widersinnig.

(dpa)

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