Letztes Update:
20200611140424

Durchblick

10:30
17.03.2020
Dienstag, 17. März. Absagen von Veranstaltungen. Schlafzimmerfenster geputzt mit der Hoffnung auf Durchblick. (Werner Bolzhauser, Esslingen)

Johannes M. Fischer

Das Corona-Tagebuch wird öffentlich

08:00
08.05.2020
Freitag, 08. Mai 2020. Die ganze Welt befindet sich nun schon seit Wochen im Ausnahmezustand. Tod, Ruin und Depression wurden zu Wegbegleitern. Aber auch eine neue Solidarität, die Wiederentdeckung verschütteter Fähigkeiten und eine erhöhte Sensibilität gehören zu der Corona-Zeit.
Vor zwei Monaten startete die Eßlinger Zeitung den Aufruf, Tagebuchsplitter einzusenden. Die Sammlung sollte zu gegebener Zeit aufgearbeitet werden und zu einer Alltagsdokumentation aufgearbeitet werden - wenn alles so weit vorbei ist. Was zu dieser Zeit noch nicht klar war: Diese Zeitenwende wird uns im Kreis Esslingen, in Deutschland und überall sonst in der Welt noch lange beschäftigen.
Nun wissen wir, dass diese Wochen nicht so schnell enden, auch wenn sich die Gesellschaft langsam öffnet. Deshalb haben wir uns entschlossen, schon heute damit zu beginnen, nach und nach die Tagebucheinträge im Zeitraffer zu veröffentlichen. Wir beginnen mit den älteren Einträgen, die uns an die Anfänge erinnern. Und nähern uns dann Tag für Tag der Gegenwart. 
Und dann? Wir werden sehen. Es ist ein work in progress. Schon jetzt vielen Dank an die Menschen aus dem Kreis Esslingen, die ihr Tagebuch öffneten. Und an die Menschen aus anderen Teilen Deutschlands und dem (zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch immer abgeschlossenen und fernen) Ausland. (Johannes M. Fischer, Esslingen)

Johannes M. Fischer

Der erste Eintrag

13:20
17.03.2020
Dienstag, 17. März, 14 Uhr. Liebes Tagebuch! Ich notiere: Eine Zeit, in der Verdecktes sichtbar wird, in der sich Verhaltensweisen ändern, in der Gier und Hilfsbereitschaft kontrastreich abheben. Zeit zum Nachdenken, zum Bilanzieren, zum Neuentscheiden. Zeit für einen Tapetenwechsel! Zeit für Abenteuer? Zeit zum Innehalten. Zeit, neue Arbeitsformen zu erproben. Zeit, alte Bekanntschaften aufzufrischen oder neue zu schließen. Nachrichten verfolgen! Informationen sammeln, interpretieren. Schlaumeierei und Mansplaining aushalten. Zeit zum Abdrehen, Zeit zum Weghören.
Zeit der Leere, in der das soziale Leben scheinbar stirbt. Menschen gehen sich gegenseitig aus dem Weg. Zeit der Einsamkeit, der Zurückgeworfenheit. Eine Zeit der Lächerlichkeit: Wo das Klopapier zum Symbol der Existenzangst wird. Zeit für Bücher, Hörbücher, Musik. Es ist Zeit für religiöse Gefühle und spirituelle Momente. Zeit zum Zeichnen, Zeit zum Schreiben.
Es ist Zeit für die Wiederkehr des Tagebuchs!  (Johannes M. Fischer, Esslingen)

Johannes M. Fischer

Der Aufruf

23:00
16.03.2020
Dienstag, 17. März. Das ist ein Aufruf an alle da draußen irgendwo in der Welt, die Lust darauf haben: Schreiben Sie wieder Tagebuch, machen Sie sich Notizen. Die Kleinigkeiten des Alltags – sie entpuppen sich im Nachhinein oft als besonders wichtig, lassen das Gesamtbild in einer neuen Perspektive erscheinen. Notieren Sie Dialoge – egal ob traurig, lustig oder scheinbar banal. Seien Sie Abenteurer Ihres eigenen Lebens, Ethnologe ihres eigenen Alltags.
Und dann schicken Sie mir Schnipsel dieses Tagebuchs (maximal 1000 Zeichen pro Tag), Fotos, kleine Videos (maximal 1 Minute) – Schreiben Sie dazu, ob Sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind, ob Ihr Name genannt werden darf, oder ob Sie anonym bleiben wollen. Stichwort: Tagebuch.
Und das passiert mit Ihren Notizen
Und was geschieht dann damit? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Es wird eine Montage werden, das ist gewiss, aber wie wir diese dann online und in der Zeitung abbilden, hängt von den Tagebucheintragungen an. Es ist unbekanntes Terrain, untypisch für ein Medienhaus, aber es könnte ziemlich interessant werden. Die Idee stammt übrigens von einer Freundin, die in Erfurt Kinder-Stadtführerin ist. Insofern am Schluss ein Danke an Franzi: Ich weiß ja, dass du das liest. Und klar, Menschen aus dem Osten dürfen auch mitmachen. Jeder darf mitmachen.  (Johannes M. Fischer, Esslingen)

Johannes M. Fischer