Vom Glauben reden ist gar nicht sooo schwer. Ein paar Kleinigkeiten sind dabei allerdings schon zu beachten. Hier mein ABC der Glaubenskommunikation. Heute: V wie Versprechen.
Die Kommunikation des Evangeliums enthält immer ein Versprechen. Evangelium ist „gute Nachricht“. Jesus hat, wie zuvor schon Johannes der Täufer, diese gute Nachricht so auf den Punkt gebracht: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“ (Mk 1,15) Was das heißt, führt er in seiner „Antrittspredigt“ in Nazareth aus: gute Nachricht für die Armen, Freiheit für Gefangene und Unterdrückte, Heilung für die Blinden, kurz: jetzt ist Zeit der Gnade. (vgl. Lk 4,18f)
Wo dieses Versprechen ernst genommen wird, hat das lebensverändernde Konsequenzen: Es führt zur Umkehr, oder, um ein altes Wort zu bemühen, zur Buße. Ein Oberzöllner gelobt feierlich, alles großzügig zurückzuerstatten, was er den Leuten zu viel abgeknöpft hat, und darüber hinaus die Hälfte seines Besitzes den Armen zu geben! (vgl. Lk 19,8) Der blinde Bartimäus sieht plötzlich klar – und lässt sein altes Leben zurück, um Jesus nachzufolgen. (vgl. Mk 10,46-52) Die Frau am Brunnen, eigentlich die Außenseiterin des Dorfes, erzählt auch den Nachbarn von der Gnade, die sie erfahren hat, und wird so zur Predigerin des Evangeliums. (vgl. Joh 4,1-42)
Das klingt so einfach! In Wirklichkeit geht es meistens nicht so schnell. In der Wirklichkeit heißt es „wenn“ und „aber“. Aber ich habe selbst nicht genug, um auch noch zu teilen. Aber ich kann der Heilung nicht trauen. Aber ich werde nicht gehört. Aber Gerechtigkeit ist in dieser Welt nicht möglich. Aber Frieden schaffen ohne Waffen, das ist doch naiv. Aber die Sachzwänge sind unüberwindlich. Aber aber aber...
Ernst Lange, Theologe und Gründer der Berliner „Ladenkirche“, hat das die „Sprache der Tatsachen“ genannt. (Zur Aufgabe christlicher Rede, in: R.Schloz (Hg.), Predigen als Beruf. Aufsätze zu Homiletik, Liturgie und Pfarramt, München 1982, S.63) Das Versprechen des Evangeliums trifft auf den Widerstand der Fakten. Man kann diesen Widerstand nicht einfach ignorieren. Wo das geschieht, verkommt das Versprechen zur leeren Vertröstung. Auch wenn die Tatsachen für den Moment übertönt sind – früher oder später werden sie sich wieder melden.
Stattdessen muss es darum gehen, das Leben mit all seinen Trostlosigkeiten und Unzulänglichkeiten „im Licht der Verheißung“ neu zu deuten. (Ernst Lange, Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit, in: ebenda S.27) In diesem Licht können plötzlich die kleinsten Dinge des Alltags zu Zeugen der Verheißung werden. Auf einmal sprechen die unscheinbaren Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Felde von Gottes Fürsorge. Plötzlich steckt in jedem Cent in der Lohntüte „eine Chance, dem Leben noch Erfüllung abzugewinnen, bevor es endet.“ (Ernst Lange, Chancen des Alltags, Überlegungen zur Funktion des christlichen Gottesdienstes in der Gegenwart, in: R.v.Thadden-Trieglaff (Hg.), Handbücherei des Christen in der Welt VIII, Stuttgart/Gelnhausen 1965, S.180)
Die Wirklichkeit „im Licht der Verheißung“ zu sehen, heißt dann, „Verheißung und Wirklichkeit miteinander zu versprechen“. (Ernst Lange, Zur Aufgabe… (s.o.), S.67) Das Wort ‚Versprechen‘ bekommt hier eine sehr präzise Bedeutung: Es geht darum, die gute Nachricht in eine konkrete Situation hineinzusprechen und beides aufeinander zu beziehen. Wenn das gelingt, verliert die Sprache der Tatsachen ihre Macht. Dann wird die Autorität der sogenannten Realität brüchig, und das Licht der Hoffnung bricht sich Bahn.
Kommunikation des Evangeliums ist also eine Art Kunst des Versprechens. Das evangelische Versprechen wird immer eine Gratwanderung sein. Es wird nicht leichtfertig das Blaue vom Himmel versprechen und das Graue ausblenden. Es wird aber die Glaubwürdigkeit der Angst untergraben. Wer das wagt, wird sehen, dass sich manchmal schon in dem Moment, in dem das Versprechen ausgesprochen wird, alles verändert.
Die Welt braucht Menschen, die sich von Gott den Mut schenken lassen, alles zu hoffen und diese Hoffnung laut und deutlich auszusprechen: Ja, du schaffst es, die Sucht zu besiegen! Ja, du kannst trotz des Handicaps ein erfülltes Leben führen! Ja, Gott kann und will dir vergeben, auch das, was du dir selbst nicht vergeben kannst. Ja, deine Ehe hat noch eine Chance! (Und selbst wenn sie scheitert, gibt es immer noch Hoffnung auf ein erfülltes Leben.) Ja, du kannst einen Beitrag dazu leisten, dass die Welt eine bessere wird! Ja, Frieden ist möglich! Ja, mit dem Tod ist noch lange nicht alles aus! Ja, das Beste kommt noch! Ja! #versprechen #gutenachricht #kommunikationdesevangeliums #glaubenskommunikation #lichtderverheißung #ernstlange #predigenalsberuf #evjulife