Vom Glauben reden ist gar nicht sooo schwer. Ein paar Kleinigkeiten sind dabei allerdings schon zu beachten. Hier mein ABC der Glaubenskommunikation. Heute: U wie Überzeugung.
Der britische Neurologe Oliver Sacks beschrieb einmal eine Gruppe von Amerikanern, die an Aphasie litten. Aphasie beeinträchtigt die Fähigkeit, die Bedeutung von Wörtern zu erfassen. Aphasiekranke haben dafür aber oft ein besonderes Verständnis für Körpersprache. Besser als andere erfassen sie, ob das, was jemand mit dem Mund ausspricht, mit dem zusammenpasst, was er gleichzeitig mit dem Körper sagt. Die amerikanischen Aphasiekranken, die Sacks beschrieb, sahen eine Rede des früheren amerikanische Präsidenten Ronald Reagan im Fernsehen – und fingen plötzlich an zu lachen, denn die Rede, dem Wortlaut nach ein staatsmännisches Plädoyer für Frieden und Völkerverständigung, passte einfach nicht zu dem, was Reagans Körpersprache vermittelte. In den Augen dieser Menschen wirkten seine Worte so aufgesetzt und fremd, dass es zum Lachen war.
Man kann sich daran gewöhnen, große oder schöne Worte zu machen, und wenn man ein guter Schauspieler ist – Reagan war in seinem früheren Leben bekanntlich Schauspieler – dann mag man damit durchkommen. Wie ein Chamäleon, das überlebt, indem es jeweils die Farbe annimmt, die gerade gebraucht wird. Doch für die, die Augen haben zu sehen, wirkt es geradezu lächerlich.
Was der Mund sagt, gehört zur Persona, also zur Maske eines Menschen. Manche Menschen identifizieren sich so sehr mit dieser Maske, dass sie es selbst nicht mitbekommen, wenn die Maske mit ihrem inneren Ich nicht übereinstimmt. Doch es wird immer jemanden geben, der es mitkriegt, und das ist dann ein Problem.
Und davon abgesehen: Eine aufgesetzte Rede wird nie die gleiche Kraft entfalten wie eine authentische Rede. Ich jedenfalls werde oft dann besonders von einer Rede gepackt, wenn ich das Gefühl habe, dem Redner beim Denken zusehen zu können. Wort für Wort abgelesene Reden dagegen tendieren dazu, mich zu langweilen.
Damit möchte ich nicht sagen, dass Vorbereitung überflüssig oder gar kontraproduktiv ist – das ist sie keineswegs! Aber je mehr eine Rede mit der inneren Überzeugung übereinstimmt, desto unwichtiger wird das Manuskript. Vielleicht kann man es dann im Ernstfall wirklich einmal ganz beiseitelegen und eine freie Rede riskieren. Ein Versuch ist es jedenfalls wert.
Doch freie Rede ist nicht alles. Eine freie Rede verpufft, wenn sie holprig vorgetragen wird, ebenso wie eine druckreife Rede, die mehr „Schreibe“ ist als Rede und im Moment des Redens ohne erkennbare innere Überzeugung erscheint.
Wenn es sich bei der Rede um eine Predigt handelt, ist die Überzeugung mit dem Glauben des Predigers gleichzusetzen: Je mehr etwas vom Glauben des Predigers deutlich wird, desto größer ist die Chance, dass sie ankommt. Predigen ist ein Akt öffentlichen Glaubens. Vielleicht kann man sogar so weit gehen und sagen: Das Gelingen und Scheitern einer christlichen Rede steht und fällt mit dem Glauben. (Karl Barth)
Deshalb ist es gut, sich vor einer Predigt Gott anzuvertrauen und darum zu bitten, dass er selbst zu Wort kommt. Das bedeutet aber, beim Reden gleichzeitig zu hören und es zuzulassen, wenn es Gott einfällt, einzugreifen. Dann klingt die Predigt nicht mehr so, wie man sie sich zurechtgelegt hat. Na und? Vielleicht ist das ja gerade ein Qualitätsmerkmal!
Eine Predigt muss natürlich gut vorbereitet werden, aber beim Predigen dann auch wieder aus der Hand gegeben werden. Der Auftrag zum Predigen kommt von Gott; und letztlich liegt es auch in Gottes Verantwortung, was aus der Predigt wird. Wer das weiß, gewinnt – bei aller Bedeutung, die die eigene Überzeugung hat – auch wieder eine gesunde Distanz zu sich selbst. Er braucht sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Wirklich wichtig ist allein Gott. #glaubenskommunikation #überzeugung #predigen #redecoach #authentischpredigen #evjulife