Vom Glauben reden ist gar nicht sooo schwer. Ein paar Kleinigkeiten sind dabei allerdings schon zu beachten. Hier mein ABC der Glaubenskommunikation. Heute: L wie Leidenschaft.
Auf einem Willow Creek-Kongress erzählte Bill Hybels, wie er am Tag zuvor eine Sängerin sah und vor allem hörte. In einer Probenpause sang sie ein Lied, anscheinend nur für sich, aber voller Leidenschaft. Er fragte sie, ob sie dieses Lied auch bei ihrem Auftritt am nächsten Tag singen werde. Sie sagte, nein, das habe sie nur für sich gesungen, weil es ihr zur Zeit sehr viel bedeute. Daraufhin meinte Bill Hybels, sie solle es dann doch auch für alle singen. Es komme so viel rüber, wenn sie das so singe. Wovon wir uns im nächsten Moment alle überzeugen konnten. Es war ein Gänsehautmoment!
Leidenschaft ist offenbar eine ganz entscheidende Zutat, wenn Hörer erreicht werden. Doch wie wird eine Rede (oder ein Lied) leidenschaftlich? Leidenschaft steht ja nicht auf Knopfdruck zur Verfügung. Obwohl, es gibt nichts, was es nicht gibt, und so gibt es inzwischen auch Anleitungen für falsches Weinen, sprich Weinen auf Knopfdruck. (Und ehrlich gesagt habe ich auch bei manchen christlichen Rednern das Gefühl, dass sie sich mit dieser Art Weinen ganz gut auskennen, besonders, wenn sie aus den USA kommen. Aber gut, Gott allein sieht das Herz an...)
Also noch einmal: Wie wird ein Vortrag leidenschaftlich? In Hybels Beispiel von der Sängerin war die Leidenschaft nicht das Ergebnis von Anleitung und Übung, sondern sie war einfach da. Der Sängerin war das Lied persönlich wichtig, und deshalb hat sie es leidenschaftlich gesungen. Dass da noch jemand zugehört hat, war fast zweitrangig.
Ich meine, das ist der Schlüssel: Wir müssen das sagen (oder singen), was uns wichtig ist.
Was aber, wenn das Thema vorgegeben ist?
Dann müssen wir die Spielräume nutzen, die es in den meisten Fällen gibt. Auch das zeigt das Beispiel von der Sängerin. Auf ihrer Liste stand das Lied nicht, und doch gab es die Möglichkeit, es zu singen. Das wird nicht immer so einfach sein, und eine Rede über ein vorgegebenes Thema ist noch mal ein ganz anderer Fall. Auf den ersten Blick mag der Spielraum also oft gering sein. Dann geht es darum, einen persönlichen Zugang zum Thema zu finden.
Ich erinnere mich an ein sperriges Predigtthema, das mir vorgegeben war. Es lautete: „Alles lief nach Plan, doch der Plan war scheiße.“ Ich konnte zunächst nichts damit anfangen und sagte das auch dem verantwortlichen Jugendmitarbeiter. Doch der bestand darauf (wie es sich für einen Jugendmitarbeiter gehört), dass der Wille der Jugendlichen, die sich für dieses Thema entschieden hatten, zu respektieren sei. Es blieb mir also nichts anderes übrig als mich darauf einzulassen. Und nachdem ich diese Entscheidung einmal getroffen hatte, fand ich tatsächlich nach und nach Bezüge zu Themen, mit denen ich etwas anfangen konnte. In einem Kalender begegnete mir ein witziges und zugleich tiefsinniges Gedicht von Joachim Ringelnatz zu der Frage: „Was würden Sie tun, wenn Sie das neue Jahr regieren könnten?“ Dann teilte jemand auf Facebook einen Cartoon zum geradezu grotesken Unterschied zwischen „deinem Plan“ und der „Realität“. Und schließlich erzählte mir eine Freundin, wie eine plötzliche Krankheit all ihre Pläne über den Haufen geworfen hatte – und wie ihr das andererseits geholfen hatte, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Am Ende war ich dankbar für die Gelegenheit, mit Hilfe der Predigt all diese Dinge zu verarbeiten. So entwickelte ich Leidenschaft für das Thema, und im Rückblick denke ich gerne an die Predigt zurück. Und ich bilde mir ein, dass der Funke übergesprungen ist.
Kann es sein, dass sich Leidenschaft für ein Thema einstellt, wenn wir uns entscheiden, dieses Thema zu bejahen und etwas daraus zu machen? Auf jeden Fall hilft, ein vorgegebenes Thema mit Themen zu verknüpfen, die uns wichtig sind. Was natürlich nicht dazu führen darf, die eigenen Steckenpferde zu Tode zu reiten. Es geht nicht um das ständige Wiederholen der Lieblingsgedanken, sondern darum, sie immer neu zu verknüpfen mit dem, was wir vorfinden.
Wenn das gelingt, dann kann die Rede leidenschaftlich werden. Und „Leidenschaft erzeugt Leidenschaft“, wie schon der alte Goethe wusste. In dem Fall beim Hörer. Genau das ist das Ziel. #leidenschaftlichreden #glaubenskommunikation #passion #evjulife