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„Journalismus muss auch dahin gehen, wo es wehtut“

11:47
04.11.2019
Von Gerd Schneider, Chefredakteur der Eßlinger Zeitung

Am 25. April anno 1868 erschien die erste Ausgabe der Eßlinger Zeitung, und darin findet sich folgender lakonischer Satz: „Was Wichtiges in Stadt und auf dem Lande geschieht, soll alsbald zur Kenntnis des Publikums gebracht werden.“ Die Zeiten und das Deutsch mögen sich geändert haben, und im digitalen Zeitalter auch die Wege und Kanäle, über die Nachrichten verbreitet werden – aber im Kern trifft diese Beschreibung noch heute zu. Sie gilt für die EZ wie für ihre Stuttgarter „Töchter“ Cannstatter Zeitung und Untertürkheimer Zeitung, die seit 1960 zum Verlag gehören. Die CZ wurde bereits vor fast 200 Jahren gegründet, die UZ vor 130 Jahren – und wie die EZ waren sie als unabhängige Lokalzeitungen stets Demokratie und Meinungsfreiheit verpflichtet. Für ihre Leser waren und sind sie ein verlässlicher Begleiter, der sie mit Informationen aus ihrer Umgebung und der ganzen Welt versorgt und ihnen Orientierung gibt – auch und gerade in unruhigen Zeiten wie diesen. „Journalisten“, schreibt der amerikanische Autor Timothy Snyder in seinem lesenswerten Büchlein „Über Tyrannei“, „sind heute wichtiger als je zuvor“.

Dass die Zeitungen des Bechtle-Verlags „für journalistische Qualität stehen“, konstatierte bei der Feier zum 150-jährigen Bestehen der EZ auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Immer wieder wurden Redakteure aus diesem Haus für besondere Beiträge ausgezeichnet. Auch die bedeutendste Auszeichnung, die es in der deutschen Zeitungslandschaft gibt, der Theodor-Wolff-Preis, ging einmal an die Eßlinger Zeitung. Die beiden Reporter Thilo Knott und Michael Thiem erhielten ihn im Jahr 2001 für ihren investigativen Beitrag mit dem Titel „Illegale Ware aus dem Doping-Dorf“. Es gab weitere Preise und Auszeichnungen. Etwa den … ersten Preis der Bank … für eine Reihe von Berichten, mit denen wir eine Familie bei der Realisierung ihres Traums von einem Eigenheim begleitet haben. Zweimal wurden Lokalredakteure beim früheren Sozialpreis der Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet, mehrere Male waren junge Journalisten mit ihren Glossen bei der Ausschreibung des Erich-Schairer-Preises erfolgreich.

Haltung, Mut und journalistische Leidenschaft sind auch heute die Werte, von denen sich die Redaktion der Eßlinger Zeitung leiten lässt. Sie ist Teil der öffentlichen Lebens „in Stadt und auf dem Lande“, setzt Themen und mischt sich ein – ob bei der Debatte um den Standort der Esslinger Bücherei, mit ihren Foren bei Bürgermeister-Wahlen wie in Aichwald oder Neuhausen oder beim Konfliktthema Fluglärm. Besonders treffend beschreibt die langjährige Esslinger Reporterin Claudia Bitzer ihre Rolle: „Als Lokalredakteurin aus Leidenschaft ist Zeitungmachen für mich die Teilhabe am prallen Leben. Journalismus darf nicht nur dahin gehen, wo es schön ist. Sondern muss auch dorthin, wo es wehtut. Er ist dort zuhause, wo es menschelt. Also überall.“

Nicole Rabus