Mit massiver Kritik an den großen Internetplattformen
haben die Medientage München begonnen. Viele Versprechungen der digitalen Technologien und sozialen Netzwerke seien nicht erfüllt,
sondern ins Gegenteil verkehrt worden, sagte der
Autor Andrew Keen am Mittwoch beim Medientage-Gipfel. Statt zu mehr Demokratie, Gleichberechtigung und gegenseitigem Verständnis sei es zu Monopolen gekommen, die die
Privatheit zerstörten. «Wir brauchen Regulierung», forderte Keen
deshalb.
Facebooks Europa-Chef Martin Ott räumte ein, dass auf Plattformen auch Fake-News, Hasskommentare und extremistische Inhalte zu finden seien. Facebook habe aber mehr als 20 000 Menschen eingestellt, die sich um das Thema Sicherheit kümmerten. «Wir haben massiv reininvestiert», sagte Ott. «Wir sind da schon wesentlich weiter als noch vor einem Jahr.» Facebook lösche inzwischen täglich Millionen von Fake-Accounts, die Falschnachrichten verschicken.
Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm will sich darauf nicht verlassen:
Der digitale öffentliche Raum dürfe nicht einigen wenigen privaten
Firmen aus den USA überlassen werden, die mit ihren Algorithmen
bestimmten, welche Informationen bei den Nutzern ankommen. «Ich bin davon überzeugt, dass wir eine europäische Alternative entwickeln sollten, die wir dann neben die Dominanz von Facebook, YouTube und Google stellen können», betonte Wilhelm. Auch die Politik sei gefordert. Deutschland und Frankreich sollten beim Aufbau einer europäischen Plattform für Qualitätsinhalte vorangehen.
Doch schon jetzt bekommen die großen US-Plattformen zunehmend
Konkurrenz außerhalb Amerikas: Chinesische Internetriesen wie Baidu, Alibaba und Tencent wachsen rasant und könnten sich bald auch in Europa ausbreiten. «In China wird mit enormer Geschwindigkeit und unternehmerischer Tatkraft Zukunft gemacht - in einer Art und Weise, die natürlich auch durchaus gefährlich für uns ist», sagte der Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1, Max Conze. «In vielen der Themen, mit denen wir uns beschäftigen, passieren mehr und spannendere Dinge in China.» Dort gebe es viel zu lernen.
In China wird das Internet von der Regierung zensiert - für Medien
ein Riesenproblem. Doch auch in Deutschland ist die Meinungsfreiheit nicht grenzenlos. Seit rund einem Jahr schreibt das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz Plattformen vor, klar strafbare Inhalte
zu löschen. Die Medientage befassen sich daher auch mit der Frage,
wie sich Falschnachrichten technisch schneller entlarven lassen.
Der Gründer der Firma Trudia, Felix Schläger, zeigte sich überzeugt,
dass sich mit Hilfe der sogenannten Blockchain die Quellenlage eines
Onlinebeitrags rasch nachvollziehen lasse. Die Blockchain-Technologie bedeutet eine Vernetzung dezentraler Datenbanken. Sie liegt auch der Kryptowährung Bitcoin zugrunde und soll nicht manipulierbar sein.
Auch der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen
Presse-Agentur, Peter Kropsch, sieht darin Chancen für
Medienunternehmen: Die Nachrichtenagentur dpa befasse sich mit der Blockchain, auch wenn noch unklar sei, wo die Technik zum Einsatz kommen werde. Eine Möglichkeit sieht Kropsch im leichteren
Rechtehandel von Bildern.
Kropsch ergänzte: «Ich verstehe das Blockchain-Thema als ökonomisches Modell, wo wir innerhalb der Wertschöpfungskette etwas optimieren können. Als publizistisches Modell erschließt es sich mir noch nicht.» Andere Technologien wie Machine learning seien bereits weiter entwickelt und auch schon im Einsatz, um Informationen zu verifizieren und falsche Bewertungen von Ereignissen aufzudecken.
Holger Schellkopf